194 - Die Hölle der Erkenntnis
Wandlers wieder anspringt. Ich wage es kaum zu glauben nach der großen Enttäuschung, die wir erleben mussten, doch es scheint, dass die Vollendung von Projekt Daa’mur kurz bevor steht…)
***
Die Anangu ließen aus Pflanzenfasern geflochtene Seile mit dicken Knoten ins Erdloch hinunter. Die Knoten als Sprossen benutzend, kletterten Rulfan und Matt Drax hinauf; zuerst der Albino und nach ihm der Mann aus der Vergangenheit.
Rulfan ging in die Knie, streckte Matt den Arm entgegen und zog ihn den letzten Meter herauf. Die kleinen drahtigen Krieger mit den roten Tätowierungen auf der schwarzen Haut – nur einer war hellhäutig – ließ er dabei keine Sekunde aus den Augen. Keine Hinterlist, die er ihnen nicht zutraute.
Matt und Rulfan richteten sich auf. Dreizehn halbnackte Anangu umringten sie. Sie trugen Speere, Schwerter, Äxte, Bumerangs; das ganze Programm. Daagson war nicht unter ihnen.
Hinter ihnen, am Rand des Lagers, hatten sich Hunderte Telepathen versammelt. Gemurmel und Getuschel lag über der Menschenmenge. Etwas abseits weideten drei Schafsgiganten im gelbgrünen Gestrüpp. Hier und da lagen große Gesteinsblöcke herum, grau und mächtig zerklüftet. Erst auf den zweiten Blick erkannten Rulfan und Matt, dass es gar keine Steinblöcke, sondern dösende Mammutwarane waren.
Und dann der rote Fels – wuchtig und riesengroß thronte er unter einem stahlblauen Himmel in der Nachmittagssonne. Fast vierzehn Tage lang hatten die Männer ihn nicht gesehen, obwohl sie nur wenige hundert Meter neben ihm in der Erde gehaust hatten, und jetzt erschlug sie sein Anblick schier. Sein Schatten wuchs bereits über das Lager der Telepathen.
»Und nun?«, fragte Matt Drax in Richtung der Anangu.
»Habt ihr Wasser?« Rulfan streckte fordernd die Rechte aus.
»Wir haben Durst.«
Die Anangu wichen zurück. Vielleicht weil sie die blutenden Schnittwunden an ihren Handballen entdeckt hatten.
Einer kam zu ihnen, doch nicht näher als unbedingt nötig war, um Rulfan mit ausgestrecktem Arm einen ledernen Wasserschlauch zu reichen. Danach zog er sich auffallend rasch wieder zu den anderen zurück.
Erst während er trank, kam Matt der Gedanke, dass er und Rulfan nach zwei Wochen ohne nennenswerte Körperpflege eventuell ein wenig streng rochen und die schwarzen Krieger deswegen Abstand hielten.
Sie leerten den Wasserschlauch und ließen sich Zeit dafür.
Während sie abwechselnd tranken und die Anangu schweigend warteten, suchten Matts Augen die Menge der gaffenden Telepathen ab. Aruula entdeckte er nirgends. Die Enttäuschung brannte ihm hinter dem Brustbein. Doch auch Victorius und die beiden Gefährten vom Mars, Vogler und die Braxton, fand er nicht. Nur Cahais Gesicht erkannte er in der ersten Reihe. Der junge Chinese wirkte seltsam teilnahmslos.
Auf den zweiten Blick fiel ihm auf, dass auch Victorius’
Luftschiff verschwunden war. Oder ankerte es außer Sichtweite hinter der Biegung des Felsens?
Nach dem letzten Schluck Wasser warf Rulfan den Lederschlauch nach den Anangu, und zwar ein wenig schwungvoller als es nötig gewesen wäre. Der Krieger, dem das gute Stück vor die Brust klatschte, funkelte den Albino böse an, beschwerte sich aber nicht.
Ihr hellhäutiger Anführer – offenbar Daagsons Stellvertreter – machte eine knappe Kopfbewegung, drehte sich um und marschierte dem Felsen entgegen. Die anderen gaben Matt und Rulfan durch Gesten zu verstehen, dass sie dem Mann zu folgen hatte. Die beiden Gefährten setzten sich in Bewegung.
Die Anangu eskortierten sie.
Das Gemurmel und Getuschel in der Menge der Telepathen legte sich ein wenig, als sie an der langen Reihe von Menschen vorbei schritten. Matt nickte Cahai einen Gruß zu, als er auf gleicher Höhe war. Der junge Asiate hatte die Rechte am Knauf seines Säbels. Sein schwarzer Pelzmantel war rötlich von Staub, sein Schnurrbart und sein Haarzopf fettig. Er reagierte nicht auf Matts Gruß, zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Wo ist Daagson?«, erkundigte sich Rulfan, während sie sich dem Felsen näherten.
»Weg«, sagte der Anführer der Anangu. Sonst gab er keinen Kommentar ab. Er schlug sich mit der Faust an die Brust.
»Ulros. Ich bin jetzt Erster Wächter des Uluru!« Er war nicht unbedingt größer als die schwarzen Anangu, allerdings von etwas stämmigerem Körperbau. Seine Haut war milchig braun, sein Unterkiefer leicht vorgeschoben und die Unterlippe dick, als wäre sie geschwollen.
»Berauschende Neuigkeit«, entfuhr es Matt.
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