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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unauffällig auf den Weg nach hinten zu den Toiletten. Ich sah zwei Fahrer an einem Kasten mit verwelkten Blumen rauchen, suchte schnell das Weite, drehte noch eine Runde und trat auf eine Quecke. Dort stand eine schöne, einsame Anemone. Ich schlüpfte zwischen einer Sykomore und einer Zypresse hindurch, all die mächtigen Eukalyptuswipfel aus dem Poem von David Schimonowitz wölbten sich über mir, und ich ging los und versank im Sand. Es war nicht zu kalt. Die Sandfläche dehnte sich weit. Die windschiefen Büsche schimmerten feucht. Es war ein klarer Tag Anfang Dezember, und das Meer glitzerte. Müde setzte ich mich auf einen Sandhaufen. Ein erhabenes Gefühl überkam mich, und ich deklamierte prophetisch: Israel, dein Stolz liegt erschlagen auf deinen Höhen. Ach, die Helden sind gefallen! Solche Arschlöcher waren wir damals. Plötzlich entdeckte ich in der Nähe ein Pärchen, das wie glänzende Pinguine in der Sonne funkelte. Sie waren beide nass. Die Frau war groß und lächelte mich mit ihren blauen Augen an, und der Mann schimpfte in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie sagte Elem , kannte dieses hebräische Wort für Jüngling. Der Mann, immer noch wassertriefend, tadelte sie in ihrer gemeinsamen Sprache, sie umarmte ihn lachend, und er sagte in wenig biblischem Hebräisch: Los, pack dich, siehst du denn nicht, was hier los ist?
    Ich ging weiter und erreichte das Tor zum Kibbuz, müde vom mühsamen Stapfen durch den nassen Sand. DerMann am Tor fragte, bist du der Neue? Ich sagte, ja. Er sagte, kommst du zum Lehrgang? Ich sagte, ja. Er sagte, wag nicht, das noch einmal laut zu sagen. Ich sagte, ich sei durstig vom Laufen, und vielleicht hätte er ein Glas Wasser für mich. Darauf sagte er, schau, Junge, erst mal meldest du dich bei Hanna. Ich fragte, wer ist Hanna? Er sagte, solche Fragen stellt man hier nicht. Ich sagte, was hättest du gesagt, wenn ich gefragt hätte, wo die ist, die du Hanna nennst? Aber er ging nicht in die Falle, sondern sagte, Hanna sucht man nicht, Hanna findet man. Wasser kriegst du erst, wenn Hanna sagt, dass du in Ordnung bist.
    Ich lief die schmalen Wege des kleinen Kibbuz ab und sah eine junge Frau, zögerte aber, sie zu fragen, und dann kam mir ein älterer, unwirscher Mann entgegen, der ein Fahrrad schob, und ich fragte ihn nach Hanna. Er sagte, sie sei eine Schlangenbeschwörerin, die alle fürchteten, aber sie sei ein prima Mensch, und zeigte auf eine nahe Baracke. Ich betrat die Baracke, die als Büro diente, und eine voluminöse Frau gab mir ein Glas Wasser zu trinken und erklärte mir, hier hätte ich Befehle zu befolgen, da man mich auf die Bibel vereidigt habe. Mein Name ist Hanna, und du stellst keine Fragen, ich habe einen heldenhaften Freund, der dich jetzt beschützt. Und das hier ist auch eine Art Sanitätsstation. Sie deutete auf ein Regal und sagte, hier gibt es schwarze Wundsalbe, Jod und Verbandszeug. Die weißen Tabletten sind gegen Halsschmerzen, Ohrenschmerzen und Fieber, die roten für Bauchweh und für Arm- und Beinbrüche. Ich fragte, und was ist, wenn mich eine Schlange beißt? Sie fragte, warum das? Ich erzählte ihr, dass mich vor einem Jahr, im Jugendverbandslager in Chefziba, eine Viper gebissen hatte, worauf man mich in eine Hängematte legte und jemand mir das Gift aussaugte, weil man dort keine Medikamente hatte,und dass der Schmerz unerträglich gewesen war. Sie sagte, die weißen sind auch gut bei Schlangenbissen. Weißt du, dass die Araber einen Haufen Wörter für »Kamel« haben und nur einen einzigen Namen für alle Schlangen? Weißt du, dass Ameisen fünf Nasen haben? Das hatte ich nicht gewusst. Sie zeigte mir den Weg zu einem großen Bootsschuppen, und von dort schickte mich jemand zu einer langen Wellblechbaracke.
    Ich trat ein, drinnen war kein Mensch. Es gab vierzig Betten, zu jeder Seite zwanzig, und ich suchte einen Platz für meine Sachen. An ein Bett war ein Zettel mit meinem Namen geheftet. Ich hatte einen Kasten Buntstifte im Rucksack, zeichnete zwei Stunden lang, ohne dass jemand mich störte, und hängte das Bild über mir an die Wand. Ein paar junge Männer kamen herein und riefen, wie heißt du. Einige nannten ihre Namen, jeder setzte sich auf sein Bett, und einer sackte aufs Bett gegenüber und schlief auf der Stelle ein. Mein Nachbar zur Linken sagte mir, der Schlafende, Michael, sei einer von denen, die illegal ins Land geschleust worden waren, und er rühre keinen grünen Salat an, weil er den für Viehfutter halte.

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