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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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versuchte, was zu sagen, aber sie legte mir die Hand über dem Kissenbezug auf den Mund, um mir Schweigen zu gebieten, und führte mich schließlich in eine Wohnung. Dort wurde mir der Kissenbezug abgenommen, und ich sah im Dunkeln ein paar junge Leute, die flüsternd miteinander sprachen. Einer von ihnen fragte mich, wer Schnelle Beute – Rascher Raub sei, und was »zwei Frauen für jeden Mann« bedeute und wo das herstamme, und wofür die Abkürzung »PaLmaCH« stehe. Siewollten sichergehen, dass ich kein Feind war. Nachdem ich alles richtig beantwortet hatte – besonders staunten sie darüber, dass ich Schnelle Beute – Rascher Raub als Sohn des Propheten Jesaja erkannte –, fragten sie, warum ich hergekommen sei. Ich log, meine Eltern seien Revisionisten, und log auch, ich sei achtzehn Jahre alt. Sie freuten sich, dass ein junger Mann von der anderen Seite des politischen Spektrums einrücken wollte, und nach ein paar weiteren Fragen, bei denen der Raum immer noch dunkel blieb, vereidigten sie mich auf die Flagge und die Bibel und eine Pistole. Sie übergaben mir eine runde, braune Kaffeedose Marke Atara und sagten mir, darin sei eine Mills-Handgranate. Ich solle mit der Dose an der ersten Haltestelle in der Ge’ula-Straße in den Bus der Linie 7 steigen und bis zum Lehrerseminar und zurück fahren. Ich verdächtigte jeden Menschen als britischen Spitzel, fürchtete die Todesstrafe am Strang und dachte an den Mann, der zu meinem Vater gekommen war. Als ich an der Haltestelle ankam, öffnete ein Mann die Dose und zeigte mir, dass sie nur eine Eisenkugel der Athleten vom Arbeitersportbund Hapoel Tel Aviv enthielt, und erklärte mir, das sei eine Mutprobe gewesen. Zwei Tage später solle ich mich um acht Uhr morgens im Busbahnhof einfinden.
    Ich hinterließ meinen Eltern einen Abschiedsbrief. Im Busbahnhof stand unweit der Hauptkasse ein junger Mann, der wohl im Regen nass geworden war. Er hielt eine feuchte Ausgabe des Gewerkschaftsblatts Davar in Händen und steckte den Kopf in die Seiten. Ich sollte dreimal gemäßigten Schritts an ihm vorübergehen und ihn dann fragen, welcher Bus nach Netanja fahre. Ich ging dreimal auf und ab, zählte aufgeregt die Schritte, blieb stehen. Er beobachtete mich lächelnd aus den Augenwinkeln und tat so, als sähe er mich nicht. Ich fragte ihn, ob er zufällig wisse, welcherBus nach Netanja fahre. Er senkte die Zeitung, blickte mich an und sagte: Bürschchen, ich bin nicht von der Auskunft. Ich fasste mich und rezitierte: Für Arbeit. Für Verteidigung. Für den Kibbuz. Für Agrarausbildung. Er blickte sich zu beiden Seiten um und erwiderte, wie zu jemand anders: Wir können hinaufziehen. Ich ergänzte: Wir werden es gewiss bezwingen. Er setzte das Bibelduell fort: Wer eine Mauer einreißt, und ich vollendete, den kann die Schlange beißen. Er wurde etwas milder, fast freundlich und erkundigte sich nach meinem Namen. Ich nannte ihn. Er drehte sich um, zog ein Stück Papier aus der Tasche, blickte darauf und sagte: Nimm’s dir nicht zu Herzen, ich habe ein Gedicht gelesen, das du Schlonski geschickt hast. Ein großer Dichter wird nicht aus dir werden, versuch lieber was anderes. Der Mann war Chaim Hefer, damals Feiner, der berühmte Liedermacher.
    Dann sagte er: Hör gut zu, du tust so, als wolltest du nach Haifa mit dem Fahrschein, den ich dir gebe, fährst aber nur bis Hadera. Dort steigst du aus und machst einen Bogen bei den Toiletten, versuchst, wie ein Haderaer auszusehen und keine Aufmerksamkeit zu erregen, und gehst ruhigen Schritts Richtung Meer. Ich fragte ihn, wie man keine Aufmerksamkeit errege und wie denn Haderaer aussähen. Er faltete die Zeitung zusammen, machte ein paar Schritte vorwärts und wieder zurück, kniff die Augen zusammen, als hätte er die Sonne im Gesicht, und zog krampfhaft den Kopf zwischen die Schultern ein. Umstehende blickten ihn verwundert an. Zum Glück sah er sie nicht. So gehst du, sagte er, von Hadera grob gesehen in westlicher Richtung, zum Meer, du wirst die Seeluft schon riechen und in der Ferne das Minarett der Moschee von Caesarea sehen, und am Strand gehst du weiter zum Kibbuz Sdot Yam. Lass dich bloß nicht erwischen. Und wenndoch ein Brite kommt, sagst du, du suchtest nach archäologischen Funden.
    Ich nahm den Bus nach Haifa. Wie gewöhnlich hielt er in Hadera. Wie alle ging ich ans Buffet und genehmigte mir ein Glas Sprudel für fünf Mil. Ich blickte mich um, prüfte sorgfältig das Umfeld und machte mich rasch und

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