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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nach einem Ort, an dem wir noch nie waren. Abram kam und fand Hungersnot im Land seiner Träume und zog gleich weiter nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Nach langer Zeit kehrte er zurück, wie heutzutage ein amerikanischer Israeli steinreich aus Kalifornien zurückkehrt. Und der Gott der Hebräer war es ja müde geworden, Welten zu erfinden, und hatte beschlossen, eine neue hebräische Welt zu erschaffen, die er im Himmel schuf, bevor sie zur Erde gelangte, denn Staaten wohnen schließlich nicht im Himmel. Sollten wir alsoeinen Nomadenstaat gründen? Wir – die Muschiks des Heiligen, gelobt sei er, den wir verabscheuten, wir, für die »Ausland« der Name irgendeines Staates war, wir, die richtige Staaten nur von unseren Briefmarkensammlungen kannten und folglich, wegen der Größe und Schönheit der jeweiligen Marken, Luxemburg für größer hielten als die Vereinigten Staaten, und wenn wir etwas über Staaten lernten, dann doch nur, wie man einen Staat anstrebt, nicht, wie man einen aufbaut, besonders wenn er in einer feindlichen Umgebung wie hier entstehen sollte –, wir also sollten ihn gründen?
    Man muss auch bedenken, dass wir diesen lieben Irren, Benny Marshak, den Politruk, unter uns hatten, diesen weltlichen Chassid, der von einem jüdischen Staat träumte, förmlich vor Sehnsucht danach triefte und Israels Feinde sogar im Schlaf noch schmähte, Benny, der mit uns von Caesarea, wo wir auf illegale Einwanderer warteten, die nicht kamen, in die Berge hinaufzog zum Krieg, der sehr wohl kam, und der ein ums andere Mal schrie – und schreien konnte er ja –, wir sollten nun endlich den Staat gründen. Und wir dachten, der Ärmste, liebt einen Staat, der nicht existiert, und wenn er denn entsteht, wird er sicher nur Afula umfassen, damals die einzige jüdische Stadt im Nordbezirk, auch wenn die Wohnhäuser fern vom Stadtkern standen und sie kaum mehr war als eine Bushaltestelle auf dem Weg durch die Jesreel-Ebene oder ein Toilettenstopp auf der Fahrt nach Haifa. Der arme Benny wartete ja tatsächlich zweitausend Jahre zuzüglich einiger Tage, deren Länge in keinem Schreibheft verzeichnet stand. Also taten wir ihm den Gefallen, denn er hatte zwei Monate nicht geschlafen, das haben wir überprüft, haben ihm nachspioniert, er hat tatsächlich nicht geschlafen, nicht gegessen, nicht getrunken, sich nicht gewaschen(Letzteres merkten wir auch ohne ihm nachzuspionieren). Er war die ganze Zeit mit der Gründung eines Staates beschäftigt, dessen Gestalt vor ihm noch kein Mensch gesehen hatte, und wenn er ihn zu beschreiben versuchte, verzerrte sich sein Gesicht vor lauter Weinen, das ihm die Kehle zuschnürte, und er kreischte vor Aufregung. Und als wir die Nase schon gestrichen voll hatten von seinen Sehnsüchten und meinten, man müsse nun echt was in der Angelegenheit unternehmen und für Benny endlich einen Staat errichten, damit er uns in Ruhe ließ, steckten wir in einer befestigten Stellung, ich weiß nicht mehr, welcher, wo ein gutaussehender Bursche, dessen Name ich vergessen habe, sich einen Moment aufrichtete und mit voller Wucht eine Mörsergranate von drei Inch abkriegte, die ihn buchstäblich durchhieb, als wäre die Granate ein scharfes Messer gewesen, so dass wir seinen Leib in zwei Teilen zu den beiden Seiten fallen sahen, die er vorher gehabt hatte, als er noch ein schöner Mann gewesen war und keine blutende menschliche Wurst wie jetzt. Und das Blut floss in Strömen. Wir bedeckten ihn mit unseren Militärmänteln – diesen schweren, langen Wollmänteln, die in der schöngeistigen Literatur gern als Waffenröcke bezeichnet werden –, und jemand fragte, wer er sei, vielleicht war er ein Neueinwanderer, der bei uns gelandet war, und dann schliefen wir ein.
    Wir froren ohne unsere Militärmäntel als Zudecke. Plötzlich hörten wir Schreie. Nicht Schreie, sondern wildes Gekreische. Jemand kam und weckte uns im Stockfinstern und berichtete unter Weinen und Lachen und mit heiserer Stimme, er habe von einem, der ein batteriebetriebenes Radio besitze, erfahren, dass Ben Gurion einen Staat gegründet habe, und fügte hinzu: Ho, lasst uns (solche Worte benutzten wir damals) die Hatikwa singen, undwir fragten den Potz, wieso das denn nun? Wir kannten nicht mal den Text auswendig, und wo hatte Ben Gurion denn überhaupt seinen Staat gegründet? Es habe geheißen, in Tel Aviv, sagte der Ankömmling, und wir sagten ihm: Hör mal, wir werden hier belagert, vor Jerusalem, wir sind am Bab el-Wad, hier

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