196 - Das Schwert des Druiden
von dir scheiden zu lassen. Weiß der Kuckuck, warum ich bei dir bleibe. Wahrscheinlich habe ich irgendwo eine masochistische Ader«, erwiderte Glenn Barrows. Plötzlich riß er die Augen auf. »Mein Gott, was ist denn das?«
Ein Skelett rannte unmittelbar vor dem Wagen auf die Fahrbahn ! Barrows bremste. Seine Frau schrie. Die Räder blockierten, und das Fahrzeug rutschte auf den bleichen Knochenmann zu. Mit der Stoßstange gabelte das Auto das Gerippe auf und wirbelte es hoch. Barrows zweifelte an seinem Verstand. Linda schrie ihre Angst und ihr Entsetzen immer noch heraus.
Rufus schlug mit einem dumpfen Knall auf die Motorhaube und rollte klappernd auf die Windschutzscheibe zu. Glenn Barrows befürchtete, das lebende Skelett würde durch das Sicherheitsglas kommen.
Er ließ das Lenkrad los und riß die Arme hoch, um sie sich schützend vors Gesicht zu halten, doch die Frontscheibe blieb ganz.
Sobald der Wagen stand, sprang Rufus auf die Straße und riß die Tür auf der Fahrerseite auf. Seine Knochenhand packte Glenn Barrows. Der Mann schrie auf.
Im Augenblick dieser gräßlichen Bedrohung hielt Linda zu ihrem Mann. »Glenn!« kreischte sie und griff nach seinem Arm, um ihn festzuhalten, doch sie konnte nicht verhindern, daß Rufus ihn aus dem Fahrzeug riß. Barrows stürzte und landete schwungvoll in der Gosse.
»Glenn!« kreischte Linda wieder.
Schwer benommen blieb der Mann liegen. Rufus warf sich in den Wagen. Linda wollte das Auto fluchtartig verlassen. Es gelang ihr, die Tür aufzustoßen, mehr aber nicht, denn der Dämon mit den vielen Gesichtern zerrte sie brutal zurück und raste mit dem Fahrzeug los.
Er entführte Linda Barrows!
***
Wir hatten es mitbekommen. »Verdammt, Silver, jetzt hat er eine Geisel!« stieß ich wütend hervor.
Der Ex-Dämon lief mit mir zu dem Mann, der im Rinnsal lag. Wir stellten den Verstörten auf die Beine, ich hielt ihn fest, damit er nicht wieder zusammensackte.
»Dieses… Monster hat meine Frau!« stammelte er. »Bitte, helfen Sie Linda! Es darf ihr nichts geschehen!«
»Ich hole den Wagen«, sagte ich und überließ den Mann meinem Freund.
Als ich mit dem Rover neben ihm hielt, ging es dem Mann nur unwesentlich besser.
»Steigen Sie ein«, befahl ihm Mr. Silver.
Er setzte sich neben den Mann, und ich raste los. Während wir Rufus verfolgten, redete der Mann ununterbrochen. Sehr viel belangloses Zeug.
Irgendwann nannte er auch seinen Namen. Er war völlig durcheinander. Kein Wunder. Er hatte den Horror zum erstenmal hautnah erlebt.
Und er machte sich große Sorgen um seine Frau. Berechtigte Sorgen. Rufus war ein grausamer Killer.
Wenn irgend etwas nicht so verlief, wie er es wollte, würde Linda Barrows dafür büßen. Ihr Leben hing an einem sehr dünnen Faden.
***
In Bermondsey stoppte Rufus Barrows’ Wagen mitten auf einem geschlossenen Rummelplatz. Die Lichter waren erloschen, die Lautsprecher verstummt.
Nichts drehte, nichts bewegte sich mehr. Schießbuden, Karussells und Grottenbahnen würden erst morgen wieder zum Leben erwachen. Für heute war das Geschäft gelaufen.
»Aussteigen!« befahl Rufus der Frau.
Es verblüffte sie nicht, daß der Knochenmann sprechen konnte. Er fuhr auch mit dem Auto. Gab es etwas, das ihm nicht möglich war?
Der Dämon mit den vielen Gesichtern sprang aus dem Fahrzeug. Linda Barrows blieb sitzen. Sie schaffte es nicht, der Aufforderung des Knochen-Dämons Folge zu leisten.
Doch Rufus ließ sie nicht im Wagen sitzen. Er ging um das Heck herum, riß die Tür auf, packte die Frau und zerrte sie heraus. Eiskalt waren seine harten Knochenfinger.
»Bitte!« flehte Linda Barrows zitternd. »Bitte… nicht!«
Rufus kannte kein Mitleid. Sie mußte ihm folgen. Er brach das Tor einer Geisterbahn auf und verschwand mit seiner Geisel in der undurchdringlichen, pechschwarzen Dunkelheit.
***
Eine Handbreit hinter Glenn Barrows’ Wagen brachte ich meinen Rover zum Stehen.
»Sie bleiben hier, Barrows!« sagte Mr. Silver.
»Linda…«
»Wir bringen sie Ihnen wieder«, versprach ich. Mir war klar, daß ich den Mund ziemlich voll nahm, denn Linda Barrows’ Schicksal lag in Rufus’ Hand.
»Er ist in der Geisterbahn!« knurrte Mr. Silver.
»Da paßt er hinein«, gab ich grimmig zurück.
Wir folgten dem Dämon mit den vielen Gesichtern. »Laß die Frau gehen. Rufus!« rief Mr. Silver in die bleischwere Finsternis. »Hast du es nötig, dich hinter Linda Barrows zu verstecken?«
Unser Erzfeind antwortete nicht. Mr. Silver
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