1962 - Das Virtuelle Schiff
Familie tot, zermalmt vom Schwarzen Loch. Oder hätte irgendeiner von euch die Möglichkeit gehabt, etwas auszurichten? Die meisten haben vor Angst geschrien, aber unternommen haben sie gar nichts.
Ich dagegen...
Das Familienoberhaupt ging nicht darauf ein. Sei still! befahl er. Eigentlich wollte Aba Ossaq seiner Familie eröffnen, dass er ihnen nur einen kleinen Teil seiner wahren Fähigkeiten offenbart hatte. Doch da sie sich so seltsam ihm gegenüber verhielt, schwieg er lieber. Ich bin sicher, dass Juhrn Anha vorzeitig sterben musste, weil Aba Ossaq ihm die letzten Energien entzogen hat, um sich selbst zu kräftigen, verkündete Gabrel Gurh. Seine Gedanken kamen bruchstückhaft und zögernd. Er war sich der Ungeheuerlichkeit dessen, was er sagte, bewusst.
Das Licht der Sterne kapselte sich gegen die anderen ab. Er brauchte einige Zeit, um sich zu fangen und mit der überraschenden Anklage fertig zu werden. Bis zu diesem Augenblick war er sicher gewesen, dass er sein Geheimnis gut gewahrt hatte. Nun begann er zu zweifeln. Er versuchte, sich herauszureden. Selbst wenn es so wäre, was wäre falsch daran? Jeder weiß, dass mein Vater den Tod unmittelbar vor Augen hatte und dass es nach der Teilung, der ich mein Leben verdanke, keine Umkehr mehr gab. Jorim Azao ignorierte auch diese Worte. Ich habe mich dazu entschlossen, deine Strafe zu verlängern, erklärte er. Für noch einmal hundert Jahre zusätzlich ist es dir verboten, andere Welten zu besuchen. Du wirst die Familie nicht verlassen.
Aba Ossaq stürzte von einer Empfindung in die andere. Auf der einen Seite war er erleichtert, weil das Familienoberhaupt nicht auf die Anklage Gabrel Gurhs einging, auf der anderen Seite war er schockiert über die Strafe, die Jorim Azao ihm auferlegte. Er schaffte es nicht, etwas zu erwidern.
Der junge Gestalter fühlte sich unschuldig, hatte statt dessen ein überwältigendes Lob erwartet. Nur weil er die Autorität Jorim Azaos in Frage gestellt hatte, wurde er nun mit einer zusätzlichen Strafe belegt. Das war etwas, das er nicht verstehen konnte. Wiederum fühlte er sich ungerecht behandelt, und abermals zog er sich in sich zurück, bis er in einen Zustand geriet, den man nur noch als Trance bezeichnen konnte. In diesem Zustand war er unerreichbar. Er brauchte Abstand, um mit seinen Gefühlen fertig zu werden.
Die Übermacht Jorim Azaos forderte ihn immer mehr heraus. Er wusste sich nicht gegen sie zu wehren, und die Saat des Hasses ging auf. Noch aber verbarg er sie vor den anderen. Er begriff nicht, dass er die Familie mit seinen Fähigkeiten zutiefst erschreckt hatte und dass sie Jahre Zeit gehabt hatte, über sie und über ihn zu diskutieren. Seine Gedanken kreisten nur um die Tatsache, dass er ihr Überleben gesichert hatte. Aus seiner Sicht zählte nichts anderes. Wie hätte er erkennen sollen, dass sie Angst vor ihm hatte?
Drei Tage lang geschah gar nichts. Alaska Saedelaere versuchte mehrere Male, Kontakt mit Vaiyatha zu bekommen, doch sie meldete sich nicht.
Während dieser Zeit traten immer wieder seltsame Phänomene an Bord auf. Schemenhafte Gebilde erschienen auf den Gängen, und in dem Bassin der Galerie schien sich ein geheimnisvolles Leben zu entwickeln. Der Terraner meinte, Bewegungen der Sterne in dem Mikrokosmos beobachten zu können. Wenn er sich jedoch intensiver auf bestimmte Sternenbereiche konzentrierte, stellte er immer wieder fest, dass er sich getäuscht hatte.
Manchmal schien es sogar, als sei überhaupt kein Mikrokosmos vorhanden als habe er sich im Inneren des Bassins aufgelöst. Alaska wurde sich noch nicht einmal klar darüber, ob sich wirklich eine Flüssigkeit darin befand oder ob sie lediglich holographisch vorgetäuscht wurde.
Ebenso konnte er nicht eindeutig klären, wie tief das Bassin war. Es schien grundlos zu sein, doch das war es selbstverständlich nicht. Spätestens an der Schiffswand musste es seine Grenze finden. Vielleicht verlor es sich in dem metallischen Netzwerk, von dem der Schiffskörper umgeben wurde.
Ein einziges Mal in den drei Tagen hatte Alaska Saedelaere Kontakt mit PORAN/18, dem Bordcomputer. Einer spontanen Eingebung folgend, hatte er nicht nach Vaiyatha gefragt, da er davon ausging, dass sie früher oder später wiederauftauchen würde. Stattdessen hatte er sich nach Sinn und Aufgabe der Rohre erkundigt, die den Raumer umspannten. „Mit Hilfe des Netzes bin ich in der Lage, sechsdimensionale Zustände zu erzeugen", hatte der Computer geantwortet. „Sie
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