1962 - Das Virtuelle Schiff
Wüste aus rotem Sand hinaus. Der Wind ließ Staubwolken auf hohen Dünen entstehen. An einem stark verwitterten, aus Steinquadern errichteten Turm kämpfte sich eine Gestalt in einem blauen Raumanzug vorbei. Vor den Resten einer metallenen Gestalt, von der nur Kopf und Schultern aus dem Sand emporragten, blieb sie stehen. Was hat das denn nun zu bedeuten? fragte die Haut. „Keine Ahnung", erwiderte der Unsterbliche trocken. Als die Gestalt im Raumanzug sich auf den Boden sinken ließ, um den Roboterkopf eingehender zu betrachten, leuchteten plötzlich zwei Augen in dem metallenen Gebilde auf, und eine Hand schob sich aus dem Sand hervor.
Alaska trat unwillkürlich einen Schritt näher an die Szene heran, als wollte er den Unbekannten im Raumanzug warnen. In diesem Moment verschwand das Bild, und er blickte auf eine Wand, aus der nun ein gepolsterter Doppelsitz hervorklappte und sich ihm als Ruhemöbel anbot. „Vaiyatha!" rief er. „Bist du hier irgendwo?"Er erhielt keine Antwort. Die VIRTUA/18 war nicht so ohne weiteres bereit, ihre Geheimnisse preiszugeben. Alaska wandte sich der Haube über dem Pilotensitz zu und untersuchte sie flüchtig. Überraschend erweise vermittelte sich ihm dabei die Information, dass es zu seinen speziellen Fähigkeiten gehörte, sie bedienen zu können. Sie stellte Leistungsansprüche, die mit Sicherheit nicht von vielen erfüllt werden konnten. Darüber hinaus schien es, als sei sie exakt für ihn konstruiert worden. Als er sich unter sie setzte, fühlte er ihr Gewicht kaum. Wie maßgeschneidert lag sie an seinem Kopf an.
Vor ihm bauten sich mehrere Hologramme auf, die ihm Daten über den Hyperraumflug und das Raumschiff vermittelten. Mit einem gewissen Stolz - so kam es ihm vor - teilte die VIRTUA/18 ihm mit, dass in der Wohnung des Raumschiffs keine Alterungsprozesse stattfanden. Je öfter ein Pilot sich in diesem Bereich aufhielt, desto länger konnte er leben. Obwohl Saedelaere selbst relativ unsterblich war und somit keine lebensverlängernde Wirkung erfahren würde, beeindruckte ihn diese Mitteilung doch. Dem Terraner war die Unsterblichkeit von ES verliehen worden. Nur wenige Wesen im Universum hatten solche „Geschenke" erhalten.
Für die VIRTUA/18 war diese Einrichtung von existentieller Bedeutung, da ihr Einsatz - nach allem, was er bisher erfahren hatte - äußerst langfristig angelegt war. „Möchtest du etwas trinken oder essen?" fragte Vaiyatha mit angenehm klingender Stimme. „Hey, wo bist du gewesen?" reagierte Alaska spontan. Die Frau stand in einem offenen Durchgang zu einem Nebenraum. Hinter ihr sah er einen Tisch mit verschiedenen Speisen und Getränken. Er ging an ihr vorbei, wählte eine apfelähnliche Frucht aus und biss hinein. „Wieso verschwindest du mitten im Gespräch?"
„Soll das ein Tadel sein?"
„So könntest du es sehen." Die Frucht war außerordentlich schmackhaft und saftig. Sie lächelte. „Sonderlich charmant bist du nicht."
„Das kannst du nehmen, wie du willst!" Er fuhr sie heftiger an, als er eigentlich wollte. „Wenn ich Verantwortung für das Schiff übernehmen soll, dann benötige ich einen schnellen Zugriff auf den Bordcomputer. Ich habe keine Lust, dich in schwierigen Situationen erst irgendwo aufzustöbern, bevor ich mit ihm reden kann."
Ihr Lächeln vertiefte sich. „Du könntest es direkt versuchen", schlug sie vor. „VIRTUA/18 wird sich dir kaum verschließen. Es sei denn, es liegt eine Störung vor."
„Schon gut." Er ließ sich in einen Sessel sinken. „Es tut mir leid." Sie setzte sich ihm gegenüber, schlug die Beine übereinander und schob den Saum ihres Rocks nach vorn, so dass er die Knie bedeckte. Sie hatte gut geformte, schlanke Beine mit feinausgebildeten Muskeln und einer makellos reinen Haut. „Du hast recht", gab sie zu. „Vor uns liegt eine schwierige Mission, und da könnten schnelle Entscheidungen wichtig sein."
„Was für eine Mission?"
„Wir haben eine Aufgabe im Kessel von DaGlausch zu lösen."
„Im Kessel?"
„In ihm soll der PULS entstehen, der für den Aufbau von Thoregon unabdingbar ist", antwortete sie in ihrer rätselhaften Art. Als Alaska zu einer weiteren Frage ansetzte, verschwand sie. Er sah, wie sich das Polster sanft anhob und wie sich die Mulde auflöste die sie mit ihrem Gewicht erzeugt hatte. Er stutzte. Vaiyatha hatte sich als Materialisation des Bordcomputers vorgestellt. Hatte eine solche Materialisation Gewicht? Oder gehörte das eingedrückte Polster zum Gesamtbild der
Weitere Kostenlose Bücher