1969 - Grausame Götter
gesagt, als der gharrische Koloss in seinem wuchtigen Raumanzug durch die Tür seiner Kabinenflucht trat. „Sonst hätte ich dich zu einem gemeinsamen erfrischenden Bad gebeten. Aber so ..."
Die Tazolen hatten bei ihren Ritualbädern gerne Gesellschaft. Mhogena bezweifelte jedoch, dass er selbst als Sauerstoffatmer eine solche Einladung angenommen hätte.
Vil an Desch trug lediglich seinen Hosenanzug aus dunkelvioletter Kunstfaser. ?eine Haut spannte sich glatt und feucht über sein knochiges Gesicht, der eiförmig ausladende Schädel schimmerte wie geölt. Mit seinen 1,62 Metern Körpergröße wirkte er neben Mhogena wie ein Spielzeug-Humanoide, aber der Scoctore hatte mit dem Größenunterschied keine Probleme. Er überspielte das, indem er erst gar nicht versuchte, beim Sprechen Blickkontakt mit Mhogena zu suchen. Während Vil an Desch Mhogena in die Hygienekabine führte und ihm die einzelnen Funktionen erklärte, schwärmte er vom Erfinderreichtum der Cameloter und ihrer Anpassungsfähigkeit. „Sie haben neue Funktionen eingebaut, die uns Tazolen bisher völlig fremd waren. So lässt sich der Druck, mit dem das Elcoxolgemisch aus den Düsen strömt, automatisieren und auf bestimmte Körpertemperaturen voreinstellen. Ebenso kann die Dauer der Zirkulation voreingestellt und so beliebig ausgedehnt oder verkürzt werden. Sie haben mir sogar exotische Badezusätze zur Verfügung gestellt, die recht brauchbar sind und mitunter interessante Kompositionen ergeben. Ich habe aber meine Duftnote noch nicht gefunden. Und das beste: Die Cameloter erreichen eine fast hundertprozentige Elcoxol-Auswertung, wir dagegen schafften keine 97 Prozent. Die Wirkung ist entsprechend, ich habe mich noch nie vitaler als nach diesem Bad gefühlt."
Mhogena wollte Vil an Deschs Aussage über sein enormes Wohlbefinden gerne glauben; der Tazole war, in der Tat, ungewöhnlich aufgekratzt und redselig. Er dachte mit Schaudern an Vil an Deschs Zustand, bevor er sein erstes Elcoxol-Bad genommen hatte: erschreckend, erbarmungswürdig, von aufkommendem Irresein und vom Tode gezeichnet. „Es freut mich, dass es dir nunmehr so gut geht", sagte Mhogena. „Da du in so blendender Verfassung bist, würde ich gerne die Fortsetzung der Entwicklungsgeschichte deines Volkes erfahren. Wie ging es nach dem Ende der Frauenherrschaft weiter?"
„Wir Männer kehrten Fähigkeiten hervor die uns die Herrscherinnen nie zugetraut hätten", antwortete Vil an Desch.
„Sie mussten schon immer in uns geschlummert haben, konnten durch Unterdrückung und Bequemlichkeit - die sich automatisch einstellt, wenn man permanent bevormundet wird - jedoch nie zum Durchbruch kommen. Und was ein ganz wichtiger Faktor ist: Was hat eine Frau, sei sie noch so klug oder genial, die durchschnittlich vierzig Jahre alt wird, höchstens aber bloß neunzig, einem Vierhundetjährigen schon entgegenzusetzen? Nichts.
Vierhundert Jahre - das war, dank Elcoxol, die Lebenserwartung eines männlichen Tazolen, als das Raumzeitalter anbrach."
Und dann erzählte Vil an Desch die unglaubliche Geschichte des ersten Tazolen im All. Er unterbrach sich jedoch, um sich über die Anmaßung der Urungaber aufzuregen, sich als Glaubensbekehrer aufzuspielen. „Ist überliefert, was aus Tarimgor, dem ersten Tazolen im All, geworden ist?" erkundigte sich Mhogena, ohne auf Vil an Deschs Empörung einzugehen. Der Fünfte Bote fand, dass eine Diskussion darüber zu weit führen würde. „Tarimgor zog bald nach dieser ersten Kontaktaufnahme die Konsequenzen aus dieser Schande und übergab sich durch eigene Hand der Obhut Gaintanus" ,sagte Vil an Desch. „Sein Ehrentod war vorbestimmt, er durfte sich dieser Pflicht, die eigentlich eine Ehrung war, nicht entziehen. Es konnte für ihn keine Amnestie geben, aus welchem Grund auch immer. Das war seine Ehrenrettung, er ist unvergessen. Er wurde heiliggesprochen."
Nun suchte Vil an Desch doch Blickkontakt mit Mhogena. Dabei streckte er sich und reckte den Kopf herausfordernd nach oben; er konzentrierte sich dabei unwillkürlich auf Mhogenas gelbliches, starres Auge. Offenbar erwartete er Widerspruch gegen das Vorgehen, durch Ritualtod Heiligkeit zu erlangen. Es war offensichtlich' dass der Tazole die Konfrontation mit dem Gharrer suchte. Obwohl Mhogena noch nicht dazu bereit war, setzte er sich aus Höflichkeit nieder. „Wie ging es mit den Urungabern weiter?" erkundigte sich Mhogena, um das Gespräch in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken.
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