197 - Der Geist im Kristall
wusste nicht warum, aber die Worte klangen aufrichtig in seinen Ohren. Matt dagegen schienen sie kalt zu lassen.
»Und um sich die Zeit zu vertreiben, haben die Daa’muren alles Leben hier mit ihrer Strahlung manipuliert, alles mutieren lassen und schließlich in neuen Körpern den Menschen den Krieg erklärt.« Matt deutete mit flammendem Blick durch die Scheiben. »Die Menschheit könnte sich heute längst wieder von der Katastrophe erholt haben, hätte deine Daa’muren sie nicht künstlich verdummt! Da draußen herrschen Anarchie und Chaos statt Aufbau und Wissenschaft! Trägst du dafür auch keine Schuld?«
»Meine Diener wussten Zeit ihres Lebens nichts von meiner Existenz«, entgegnete der Wandler. »Sie handelten ohne mein Wissen und ohne meinen Willen. Wäre ich früher erwacht, hätte ich sie im Zaum halten und die Menschen unterstützen können!«
»Das stimmt, Matt«, sagte Rulfan. »Während unserer Kämpfe mit den Daa’muren war er nie aktiv! Was wir sonst über ihn zu wissen glauben, haben wir am Uluru erfahren. Wie verlässlich ist diese Quelle?«
Matt begegnete Rulfans Blick. »Hat er dich etwa schon überzeugt? Oder beginnst du ihm zu verfallen wie Victorius?«
»Dann müsstest du auch beeinflusst werden, oder?«, gab Rulfan zu bedenken. »Wir haben doch lange genug mit Telepathen zu tun gehabt, um zu merken, wenn jemand in unseren Gehirnen herumkramt, oder? Also ich spüre nichts dergleichen.«
Nachdenklich streifte Matthew Drax’ Blick über die Gestalt des schwarzen Prinzen. Schließlich nickte er.
»Sprich weiter, Wandler!«
***
In der Höhle des Sol
Sein Bewusstsein kroch langsam aus der Dunkelheit hervor.
Formen und Farben blitzten kurz auf, um sofort wieder unter einem grauen Nebel zu verschwinden. Ferne Stimmen riefen nach ihm. Lichter blitzten auf. Ein unerträgliches Tosen pulsierte durch seinen Geist.
Als er meinte, es keine Sekunde länger aushalten zu können, endete es jäh. Ein schwarzer Tunnel saugte ihn ein. Er stürzte und wusste jetzt schon, es würde keinen Aufprall geben. Nur einen federnden Widerstand in seiner Gehirnmasse. Wie ein zu weich gekochtes Ei, in das man seinen Löffel taucht.
Er hasste diesen Augenblick. Noch mehr aber hasste er, was dann folgte: Er fand sich bei völlig klarem Verstand in dieser engen Kapsel wieder. Obwohl er nichts sah, nichts roch und nichts hörte, ertasteten sein Verstand die kristallenen Wände, die ihn umschlossen.
Und die, die jenseits der Wände waren, ertasteten ihn. Sein Geist war den Daa’muren ausgeliefert, wie einst die Hasen und Ratten auf seinen Labortischen ihm ausgeliefert gewesen waren.
Manchmal weckte ihn Ora’sol’guudo aus seinem gnädigen Schlaf, um sich mit ihm auszutauschen. Nur dann hatte er Gelegenheit, seine geistigen Fühler durch die Wände hindurch auszustrecken. Heute schien ein solcher Tag zu sein.
(Wie geht es Ihnen, Jeecob’smeis?)
Professor Dr. Jacob Smythe erkannte den Führer der Daa’muren an dessen Gehirnwellenmuster. Sie nannten es
»Aura«. Auch gut…
Gut genug, Sol. Wie ich feststellen kann, sind wir heute nicht allein. Smythes Geist berührte die Auren, die sich an sein Kristallgefängnis drängten. Wie lauteten noch gleich ihre Namen? Ah ja, Est’sil’bowaan und Liob’lan’taraasis. Smythe erinnerte sich an die dunkle Bratschenstimme von Bowaan und die stechenden, hellen Augen von Taraasis. So nannte er sie; diese vermaledeiten Daa’muren-Namen konnte doch kein Schwein ertragen, nicht mal ein gefuchster Science-Fiction-Fan.
Vor langer Zeit hatten die beiden eine Aurenschmelze mit ihm vollzogen. Auf diese Weise hatte er alles über die Außerirdischen und ihren Heimatplaneten Daa’mur erfahren.
Und sie hatten im Gegenzug alles über ihn und die Menschheit erfahren. [4]
Wie lange war das her? Er wusste es nicht mehr. Seine Existenz war zeitlos. Aber die Faszination, die die Bilder von Daa’mur und seinen Lebewesen in ihm ausgelöst hatten, waren noch immer präsent. Auch die Todesangst und die Kälte, die er während der Prozedur empfunden hatte, blieben in seinem Gedächtnis gespeichert.
Er erinnerte sich an den warmen Körper der Daa’murin.
Damals hatte dieser Körper Smythe vor einer mentalen Auflösung gerettet.
Ich werde nie wieder ihren Körper spüren! Bei dem Gedanken daran zog sich seine Aura schmerzhaft zusammen.
Überhaupt würde er nie wieder den Körper einer Frau spüren.
Denn er selbst besaß keinen mehr. Bei seiner Rückkehr von der Geistreise
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