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197 - Der Geist im Kristall

197 - Der Geist im Kristall

Titel: 197 - Der Geist im Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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nicht heißer sein als hier!«
    Matt schaute sich um. Der Albino öffnete sein Wildlederhemd, das ihm nass am Körper klebte. Schweiß rann von seiner Stirn.
    Beim Anblick seines Freundes dankte Matt zum hundertsten Mal dem Himmel für den Anzug, den er trug. Beziehungsweise den marsianischen Wissenschaftlern, die ihm diese Kleidung geschneidert hatten. Der Stoff aus Spinnenseide lag angenehm kühl auf seinem Körper. Nur sein Gesicht glühte unter der Hitze.
    »Wo bleibt ihr?«, hörten sie Victorius’ Stimme. Sie schien von weit unten zu kommen. »Wir sind am Ziel!«, ließ der Wandler sie wissen.
    Tatsächlich endete der Pfad hinter einer Biegung an einer glatten Wand aus erkalteter Magma. Davor gähnte ein kreisrundes Loch im Boden. Matthew beugte sich in die Öffnung. Ein spiralförmiges Gebilde aus faustdicken Steinsprossen hing darin. Er konnte nicht erkennen, wie die Sprossen miteinander verbunden waren. Das Ganze erinnerte ihn an eine Mischung aus Wendeltreppe und Strickleiter.
    Er schätzte, dass es gut und gerne fünf Meter in die Tiefe ging. Von unten funkelten Kristalle. Der Boden wabberte in ihrem Licht. Was auch immer dort unten war, eine fast greifbare Energie ging von ihm aus. Sie erfasste Matt und schien in seinen Gliedern zu pulsieren.
    Er reichte Rulfan die Rechte und half ihm in den Schacht.
    Gerade als er ihn losließ, verfehlte sein Freund eine Sprosse.
    Der Albino griff noch einmal nach Matts Hand, aber er erwischte nur einen Zipfel des Handschuhs und rutschte mit ihm in die Tiefe. Durch die Spiralform der Steinleiter fand er nach wenigen Metern Halt. Erschrocken blickte er nach oben.
    Matthew war gestürzt. Mit der Linken abgestützt, hing er halb über dem Schacht, die Rechte weit von sich gestreckt.
    Die beiden Männer schauten sich an. »Das war knapp!«, keuchte Rulfan und kletterte wieder nach oben.
    Matthews Blick wanderte von Rulfan zu seiner Hand. Was wohl geschehen würde, wenn er jetzt den Boden, die Öffnung oder die Felswände berührte? Es wäre so einfach. Sie könnten umkehren und Aruula auslösen – »Nimm schon!« Rulfan wedelte mit dem Handschuh vor Matts Gesicht.
    Er nahm ihn entgegen und streifte ihn über seine Hand.
    Dann kletterte er hinter dem Albino Sprosse für Sprosse nach unten.
    Die Höhle war keine fünf Meter breit, vermittelte aber durch ihre Höhe den Eindruck eines Saals. Wie Klippen ragten die Wände neben dem Schacht nach oben. Sie waren übersät mit Kristallen. Sie glitzerten und funkelten, und ihr Licht brach sich in den Facetten der anderen Steine.
    Matt schien es, als stünde er in einem gigantischen Diamanten. Es gab keine Stelle, aus der kein Kristall ragte.
    Und dann begriff er: Der Wandler hatte sie direkt in sein Herz geführt
    ***
    Aus dem Schatten der Felsformation löste sich der dunkle Körper Thgáans. Lange hatte er vor der Höhle des Sol darauf gewartet, dass sein einstiger Herr nach ihm rief. Doch Ora’sol’guudo schien ihn nicht zu brauchen.
    Dafür ein Anderer: Ordu’lun’corteez. (Komm zu mir, Thgáan. Ich erbitte deine Unterstützung! Ich warte auf der Hochebene hinter der Lun-Feste auf dich!) Der respektvolle Ton gefiel Thgáan, also folgte er dem Ruf des Lun – aus freien Stücken. Nie wieder wollte er sich befehlen lassen. Mit ausgebreiteten Schwingen ließ er seinen flachen Körper in eine steigende Luftströmung gleiten.
    Die Zerrissenheit seiner einstigen Herren missfiel ihm. Die einen wollten dem Wandler folgen, die anderen dem Sol.
    Thgáan stellte sich auf keine Seite. Er wollte nur eines: die Erde bereisen und erkunden. Doch es war nicht schlecht, ein Zuhause zu haben, einen sicheren Hafen. In den langen Monden seiner Gefangenschaft unter dem Meer war ihm das klar geworden.
    Aus diesem Grund hatte er nach seiner Befreiung auch den Sol aufgesucht: Er und seine Daa’muren sollten ihm diese Heimat bieten. Doch wie sich die Situation jetzt darstellte, war es alles andere als ein sicheres Zuhause, in das man gern zurückkehrte.
    Das blasse Licht der Morgensonne drängte sich zwischen ein paar Wolkenfetzen hindurch. Der Rochen genoss den kühlen Wind, der ihm um den Schädel blies, während er sich dem Bergrücken mit der Lun-Feste näherte. Seine zerklüfteten Felswände trennten den Kratersee von der Ebene, die der Todesrochen erreichen wollte.
    Die Luft rauschte unter seinen Schwingen, als Thgáan die Höhe des Gipfels erreichte. Links von ihm ragte das Wandlermassiv in den Himmel. Der scharfe Blick des Lesh’iye glitt

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