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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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überfahren?«
    »Was?«
    »Wen haben Sie auf der Dewsbury Road überfahren?«
    »Warum?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Warum wollen Sie das wissen, was hat das jetzt noch für eine Bedeutung?«
    Fallen, krallen, klammern. So als ob die Toten lebten und die Lebenden tot waren, sagte ich: »Ich glaube, der Mann, den Sie da überfahren haben, muß Clare Kemplay umgebracht haben, undwer immer Clare umgebracht hat, muß Susan Ridyard umgebracht haben, und wer immer das war, muß Jeanette Garland umgebracht haben.«
    »Jeanette Garland?«
    »Ja.«
    Ihre Adleraugen waren plötzlich ganz wäßrig geworden, und ich starrte in riesige, schwarze Panda-Augen voller Tränen undGeheimnisse, Geheimnisse, die sie nicht für sich behalten konnte.
    Ich zeigte nach draußen. »War er es?«
    »Nein, o Gott, nein.«
    »Wer war es dann?«
    »Ich weiß es nicht.« Ihr Mund und ihre Hände zitterten.
    »O doch, Sie wissen es.«
    Das Glas in ihrer Hand wackelte, Whisky tropfte ihr auf das Kleid und die Stufen. »Ich weiß es nicht.«
    »O doch«, zischte ich und sah zu der Leiche hinüber, die, zusammen mit dem verdammten Weihnachtsbaum durch den Türrahmen zu sehen war.
    Ich ballte die Faust, so gut ich konnte, drehte mich wieder um und hob den Arm.
    »Spucken Sie’s aus!«
    »Rühr sie nicht an!«
    Johnny Kelly, blutverschmiert und schlammbedeckt, stand oben an der Treppe und hielt einen Hammer in seiner gesunden Hand.
    Patricia Foster sah sich noch nicht einmal um, so weit weg war sie.
    Ich stellte mich in die Türöffnung. »Haben Sie ihn umgebracht?«
    »Er hat Paula und Jeanie getötet.«
    Ich wünschte, er hätte recht, wußte aber, daß er unrecht hatte, und sagte es ihm: »Nein, hat er nicht.«
    »Was wissen Sie denn schon?« Kelly kam die Treppe herunter.
    »Haben Sie ihn umgebracht?«
    Er starrte mich an, Tränen in den Augen und auf den Wangen, den Hammer in der Hand.
    Ich erkannte viel zuviel in diesen Tränen und machte wieder einen Schritt rückwärts.
    »Ich weiß, Sie waren es nicht.«
    Er kam weiter auf mich zu und weinte.
    »Johnny, ich weiß, daß Sie ein paar üble Sachen gemacht haben, schreckliche Sachen, aber ich weiß, das hier waren Sie nicht.«
    Er blieb am Fuß der Treppe stehen, der Hammer baumelte wenige Zentimeter neben Mrs. Fosters Kopf.
    Ich ging auf ihn zu.
    Er ließ den Hammer fallen.
    Ich ging hin, hob den Hammer auf, wischte ihn mit einem schmutziggrauen Taschentuch ab, genau wie all die bösen Jungs und korrupten Bullen bei Kajak.
    Kelly starrte auf Patricias Haar.
    Ich ließ den Hammer fallen.
    Johnny strich ihr übers Haar, fester und immer fester, bis das Blut eines anderen ihr die Locken verklebte.
    Sie rührte sich nicht.
    Ich zog ihn beiseite.
    Ich wollte nichts mehr wissen; ich wollte ein paar Drogen kaufen, ein paar Drinks, und so schnell wie möglich diesen Ort verlassen.
    Er sah mir in die Augen und sagte: »Sie sollten verschwinden.«
    Aber ich konnte nicht. »Sie auch«, sagte ich.
    »Die werden Sie umbringen.«
    »Johnny«, sagte ich und packte ihn bei der Schulter. »Wen haben Sie auf der Dewsbury Road überfahren ?«
    »Die werden Sie umbringen. Sie sind als nächster dran.«
    »Wer war’s?« Ich drückte ihn gegen die Wand.
    Johnny sagte kein Wort.
    »Sie wissen, wer es war, stimmt’s, Sie wissen, wer Jeanette und die anderen beiden umgebracht hat.«
    Er zeigte nach draußen. »Der da.«
    Ich verpaßte ihm eine, ein heißer Schmerz trieb mir Sterne vor die Augen.
    Der Star der Rugby League fiel auf den Teppich. »Verdammt.«
    »Schluß jetzt mit dem Scheiß.« Ich beugte mich über ihn, wollte ihm den Schädel aufschlagen und all seine dreckigen kleinen Geheimnisse herauskratzen.
    Er lag zu ihren Füßen auf dem Boden und sah sie an wie ein zehnjähriger Junge, und Mrs. Foster wiegte sich unbeteiligt vor und zurück, so als ob das alles vor ihr im Fernseher lief.
    »Sagen Sie es mir!«
    »Er war’s«, wimmerte Johnny.
    »Sie sind ein beschissener Lügner.« Ich griff hinter mich und nahm den Hammer.
    Kelly glitt mir zwischen den Beinen davon und kroch zu einem Whiskyfleck in Richtung Vordertür.
    »Sie wollen nur, daß er es war.«
    »Nein.«
    Ich packte ihn beim Kragen und drehte sein Gesicht zu mir.
    »Sie wollen, daß er es war. Sie wollen, daß es so einfach ist.«
    »Er war’s, er war’s.«
    »Nein, er war’s nicht, und das wissen Sie.«
    »Nein.«
    »Sie wollen Rache? Dann sagen Sie mir endlich, wer zum Teufel das in jener Nacht war.«
    »Nein, nein, nein.«
    »Sie selbst

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