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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Lenkrad aus:
    VERSAU’S NICHT.
     
    Die Treppe rauf durch die Doppeltür, wieder hinein in die Millgarth Police Station.
    Dreckige Fußböden und gelbes Licht, versoffenes Gegröle und schnell durchbrennende Sicherungen.
    Ich zückte am Empfang meinen Presseausweis und der Diensthabende ein säuerliches Lächeln:
    »Abgesagt. Das Pressebüro hat angerufen.«
    »Sie machen Witze. Warum?«
    »Keine Neuigkeiten. Neun Uhr morgen früh.«
    »Gut«, grinste ich und dachte, wenigstens sind keine Fragen gestellt worden.
    Der Sergeant zuckte zusammen.
    Ich sah mich um und öffnete meine Brieftasche. »Was soll’s denn kosten?«
    Er nahm mir die Brieftasche aus der Hand, zog einen Fünfer heraus und reichte sie mir zurück. »Das sollte reichen, Sir.«
    »Und?«
    »Nichts.«
    »Das waren verdammte fünf Pfund.«
    »Und für fünf Pfund lautet die Antwort, sie ist tot.«
    »Haltet die Druckerpressen an«, sagte ich und ging hinaus.
    »Schöne Grüße an Jack.«
    »Ach, Scheiße.«
    »Tschüß, Schätzchen.«
    17.30 Uhr.
    Wieder in der Redaktion.
    Barry Gannon hinter seinen Kisten, George Greaves mit dem Gesicht auf dem Schreibtisch, Gaz vom Sport, der nur Müll
    laberte.
    Keine Spur vom beschissenen Jack Whitehead.
    Gott sei Dank.
    Scheiße, wo war der eigentlich?
    Verfolgungswahn:
    Ich bin Edward Dunford, Gerichtsreporter für Nordengland, so steht es in jedem einzelnen verdammten Exemplar der Evening Post.
    »Wie lief’s?« Kathryn Taylor, mit frischen Locken auf dem Kopf und in einem häßlichen cremefarbenen Pullover, stand von ihrem Schreibtisch auf und setzte sich gleich wieder.
    »Wie geschmiert.«
    »Wie geschmiert?«
    »Ja. Perfekt.« Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
    Sie runzelte die Stirn. »Was war denn los?«
    »Nichts.«
    »Nichts?« Sie schaute völlig perplex.
    »Abgesagt. Sie suchen immer noch. Hab nichts«, sagte ich und leerte meine laschen auf ihrem Schreibtisch aus.
    »Die Beerdigung meinte ich.«
    »Ach so.« Ich nahm meine Zigaretten.
    Telefone klingelten, Schreibmaschinen klapperten.
    Kathryn besah sich mein Notizbuch auf ihrem Schreibtisch.
    »Und was glauben die?«
    Ich zog meine Jacke aus, nahm ihren Kaffee, zündete mir eine Zigarette an, alles auf einmal, »Sie ist tot. Hör mal, ist der Chef bei einer Besprechung?«
    »Weiß nicht. Glaub nicht. Warum?«
    »Ich will, daß er mir ein Interview mit George Oldman verschafft. Morgen früh, vor der Pressekonferenz.«
    Kathryn nahm mein Notizbuch und drehte es zwischen den Fingern. »Da mußt du schon Glück haben.«
    »Sprich du mit Hadden. Er mag dich«, sagte ich und nahm ihr das Notizbuch ab.
    »Machst du Witze?«
    Ich brauchte Fakten, handfeste Fakten, verdammt.
    »Barry!« brüllte ich über Telefone, Schreibmaschinen und Kathryns Kopf hinweg. »Kann ich mal ein Wörtchen mit dir reden, wenn du mal ‘ne Minute hast?«
    »Wenn’s sein muß«, sagte Barry Gannon hinter seiner Aktenfestung.
    »Ja bitte.« Plötzlich spürte ich Kathryns Blick auf mir ruhen.
    Sie schaute wütend. »Ist sie tot?«
    »Blut verkauft sich besser«, erwiderte ich, ging zu Barrys Schreibtisch und haßte mich dafür.
    Ich drehte mich um. »Kath, bitte.«
    Sie stand auf und ging hinaus.
    Verdammt.
    Ich zündete mir an der Glut meiner Zigarette die nächste an.
    Barry Gannon, dürr, alleinstehend und manisch; überall mit Zahlen übersäte Blätter.
    Ich kauerte mich neben seinen Schreibtisch.
    Barry Gannon kaute an einem Bleistift. »Und?«
    »Ungelöste Fälle von vermißten Kindern. Eins in Castleford und eins in Rochdale? Vielleicht.«
    »Ja. Rochdale muß ich nachschauen, aber der Fall in Castleford war 1969. Mondlandungen, Jeanette Garland.«
    Bei mir klingelte es. »Aber gefunden wurde sie nie?«
    »Nein.« Barry nahm den Bleistift aus dem Mund und starrte mich an.
    »Hat die Polizei irgendwas?«
    »Ich bezweifle es.«
    »Danke. Ich kümmer’ mich drum.«
    »Keine Ursache«, sagte er zwinkernd.
    Ich erhob mich. »Was macht Dawsongate, dein Privatskandal?«
    »Keine Ahnung.« Barry Gannon schaute ohne zu lächeln wieder auf seine Unterlagen und die Zahlen und kaute am Bleistift.
    Verdammt.
    Ich verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. »Danke, Barry.«
    Ich war auf halbem Weg zu meinem Schreibtisch, Kathryn kam wieder zurück und unterdrückte ein Lächeln, da rief Barry hinter mir her. »Gehst du später in den Presseclub?«
    »Wenn ich mit allem fertig bin.«
    »Wenn mir noch was einfällt, sehen wir uns da.«
    Eher überrascht als dankbar. »Danke, Barry.

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