1982 - Gefangene der Algioten
..."
„Davon habe ich gehört." Der Voranese verzog sein Echsengesicht. „Wir haben auch unsere Geheimdienstberichte ... Ihr nennt sie ES."
„Ja."
„Dann ist ES also Gott und verteilt seine unsterbliche Gabe auf besondere Sterbliche, die damit gottgleich werden. Willst du das bestreiten?"
„Ich bin müde", stieß Rinaher hervor. Ihre Nerven waren zerrüttet, sie konnte nicht mehr weiter. „Bitte, kann ich nicht eine kleine Pause ..." Sie wimmerte, als sie statt der Erlösung einer weiteren Folter ausgesetzt wurde. „Allmählich wirst du kooperativ", bemerkte U'Niboref zufrieden. „Ich werde das Verhör daher beenden. Eine letzte Frage habe ich noch: Weshalb setzt ihr euer Leben dafür ein, Gaintanu gefangen zuhalten?" Jetzt saß Rinaher in der Falle. Sie musste die Wahrheit sagen, aber sie wusste, dass sie ihn nicht würde überzeugen können. Es war einerlei, was sie tat, sie würde gleich fürchterlich leiden müssen - vielleicht sogar sterben. Aber wenn es denn so sein musste, dann nicht mit einer Lüge! „Das versuchen wir doch immer, euch begreiflich zu machen", begann sie, „Gaintanu ist nicht gefangen; es sind die Guan a Var im Sonnentresor, die Sonnenwürmer, die ganz Chearth vernichten werden, wenn sie freikommen ..." Weiter kam die junge Arkonidin nicht mehr. „Falsche Antwort!" kreischte U'Niboref.„Lüge! Ketzerische Lüge! Ihr seid Verdammte, allesamt!" Doch anstatt sie für ihre Infamie zu bestrafen, hieb er auf die Tastenfelder ein, und Rinahers Augen wurden freigegeben. Auch die Fesselfelder wurden desaktiviert. Sie blinzelte heftig, die Tränendrüsen sonderten Unmengen von Sekret ab, das sie mit zitternden Händen wegwischte.
Mit halbverschleiertem Blick sah sie zu U'Niboref, dessen Schuppen vor Zorn dunkelviolett geworden waren. Selbst die gelb eingefärbten Bereiche waren davon beeinflusst und leuchteten jetzt in sattem Orange. „Führt sie ab!" zischte das Echsenwesen, als die drei Soldaten hereinkamen. „Ich bin für heute mit ihr fertig! Bringt den anderen!" U'Niboref richtete den krallenbewehrten Zeigefinger drohend auf Rinaher. „Denk darüber nach, was du mir das nächste Mal erzählen willst!" fauchte er. „Ich lasse dir diese Chance, um dich von deiner Verblendung zu heilen und dich von dem zwanghaften Lügen zu befreien! Überlege dir, wie du überleben willst, wenn du nicht kooperierst!"
Rinaher musste von einem Voranesen gestützt werden, so sehr zitterten ihre Beine. Sie fühlte sich unendlich schwach und müde, aber heilfroh, endlich eine Pause zu bekommen. Sie freute sich jetzt sogar auf ihre einsame, karge Zelle. Als sie hinausgeführt wurde, begegnete sie - Gerenger, der gerade zum Verhör gebracht wurde. .Sie hatte ihn nie gemocht, aber er war ein Wortführer an der Kadettenschule gewesen. Junkeron hatte aus Karrieregründen seine Freundschaft gesucht; seine Beziehungen konnten einmal nützlich sein.
Gerenger war gerade mal 23 Jahre alt, aber er spielte sich auf wie ein alter Hase. Er war geborener Cameloter, 1,87 Meter groß, mit stark albinoiden Zügen; die weißen Haare hatte er nach Ertruserart bis auf einen bürstenkurzen, Sichelkamm rasiert. Dank seiner Beziehungen waren sie trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit überhaupt in die Meldeliste für Chearth mit aufgenommen worden. Gerenger kommandierte vor allem Frauen gern herum, denen er sich überlegen fühlte, spielte sich als Anführer auf und gab stets den Ton an. Davon war jetzt nichts mehr zu merken. Das einstige Großmaul sah verstört und verängstigt aus, also im Grunde genau so, wie Rinaher sich fühlte. Natürlich hätte sie ihm einmal eine solche Lektion gegönnt. Aber nicht unter diesen Umständen.
Sie freute sich tatsächlich, Gerenger zu sehen, beinahe genauso, als wäre er ihr Bruder. Denn der andere war wenigstens noch am Leben; jemand, der ihr vertraut war und schon so manches Prüfungen, handgreifliche Auseinandersetzungen mit anderen Kadettengruppen oder Parties - mit ihr durchgestanden hatte. Das verstärkte das Band zwischen ihnen und flößte beiden Mut ein. Gerengers rötliche Augen leuchteten auf, als er sie erkannte, aber zugleich spiegelte sich das Entsetzen über ihr Aussehen darin, und sofort sonderten seine Tränendrüsen Sekret ab. Rinaher konnte es ihm nicht verdenken. Sie war froh, sich nicht selbst sehen zu können. „Du lebst, ich bin so froh!" flüsterte er im Vorbeigehen. „Wir schaffen es!" gab sie hastig zurück, bevor sie grob weitergezerrt wurde. Wie sie es
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