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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Fäusten, manchmal mit Gummiknüppeln, dann wieder mit Stahlruten oder mit den Stiefeln. Es gab Zeiten, wo er sich auf dem Boden herumwälzte, schamlos wie ein Tier, seinen Körper hierhin und dorthin duckte in einem endlosen, hoffnungslosen Bemühen, den Fußtritten auszuweichen, und damit nur mehr und immer noch mehr Fußtritte in seine Rippen, seinen Bauch, auf seine Ellbogen, gegen seine Schienbeine, in seine Hoden, auf sein Steißbein herausforderte. Es gab Zeiten, in denen es weiter und immer weiter ging, bis ihm nicht das grausam, verrucht und unverzeihlich erschien, daß die Wachen nicht abließen, ihn zu schlagen, sondern daß er sich nicht dazu zwingen konnte, das Bewußtsein zu verlieren. Es gab Zeiten, in denen ihn der Mut so im Stich ließ, daß er sogar schon vor Beginn der Prügelei um Gnade zu schreien anfing, in denen allein schon der Anblick einer zum Schlag erhobenen Faust genügte, um ihn ein Geständnis wirklicher und erfundener Verbrechen hervorsprudeln zu lassen. Es gab andere Zeiten, wo er sich vornahm, nichts zu gestehen, so daß jedes Wort zwischen Schmerzgekeuche aus ihm herausgepreßt werden mußte, und es gab Zeiten, wo er jämmerlich einen Kompromiß zu schließen versuchte, in dem er zu sich selbst sagte: »Ich will gestehen, aber noch nicht gleich.
    Ich muß so lange standhalten, bis der Schmerz unerträglich wird. Noch drei Schläge, noch zwei Schläge, und dann sage ich ihnen, was sie wollen.« Manchmal wurde er geschlagen, bis er kaum mehr stehen konnte, dann wie ein Sack Kartoffeln auf den Steinboden einer Zelle geworfen und ein paar Stunden in Ruhe gelassen, um sich wieder zu erholen, und dann herausgeführt und erneut geschlagen. Es gab auch längere Erholungspausen. Er entsann sich ihrer undeutlich, denn er hatte sie meist schlafend oder in stumpfer Betäubung verbracht. Er erinnerte sich an eine Zelle mit einer Pritsche, einem aus der Wand herausragenden Gestell und einer blechernen Waschschüssel, ferner an Mahlzeiten, bestehend aus warmer Suppe, Brot und manchmal Kaffee. Er erinnerte sich eines mürrischen Friseurs, der ihm das Kinn zu schaben und die Haare zu schneiden kam, und geschäftsmäßiger, unbarmherziger Männer in weißen Mänteln, die ihm den Puls fühlten, das Funktionieren seiner Reflexe prüften, ihm die Augenlider hochhoben, ihn mit sachlichen Fingern nach einem gebrochenen Knochen abtasteten und ihm Injektionsnadeln in den Arm stießen, damit er schlafen konnte.
    Die Prügeleien wurden weniger häufig angewandt, in der Hauptsache als Drohung, als ein Schreckmittel, dem er in jedem Augenblick wieder ausgeliefert werden konnte, wenn seine Antworten unbefriedigend ausfielen. Die ihn Verhörenden waren jetzt keine Rohlinge in schwarzer Uniform, sondern Partei-Intellektuelle, kleine rundliche Männer mit raschen Bewegungen und blitzenden Brillengläsern, die ihn, einander ablösend, in Zeitspannen von – wie er glaubte, denn sicher konnte er es nicht sagen – zehn oder zwölf Stunden unaufhörlich bearbeiteten. Diese ihn jetzt Vernehmenden sorgten dafür, daß er ständig unter der Betäubung eines leisen Schmerzes stand, aber in der Hauptsache verließen sie sich nicht auf den Schmerz. Sie schlugen ihn wohl ins Gesicht, verdrehten ihm die Ohren, rissen ihn an den Haaren, ließen ihn auf einem Bein stehen, erlaubten ihm nicht, Wasser zu lassen, hielten ihm blendendes Licht vor das Gesicht, bis ihm die Tränen aus den Augen liefen; aber alles das diente nur dazu, ihn zu demütigen und ihm die Kraft zum Widerstand und zu vernünftigem Denken zu nehmen. Ihre wirkliche Waffe war das unerbittliche Verhör, das weiter und immer weiter ging, Stunde um Stunde, das ihn aus dem Konzept brachte, ihm Fallen stellte, alle seine Worte verdrehte, ihn bei jedem Schritt der Lügen und des Widerspruchs schuldig erklärte, bis er aus Beschämung sowie aus nervöser Erschöpfung zu weinen anfing. Manchmal weinte er ein halbes Dutzend Mal im Verlauf einer einzigen Vernehmung. Die meiste Zeit schrien sie ihn mit Schimpfnamen an und drohten ihm bei jedem Zögern, ihn wieder den Wachen auszuliefern. Manchmal aber änderten sie plötzlich ihre Tonart, nannten ihn Genosse, ermahnten ihn im Namen von Engsoz und dem Großen Bruder und fragten ihn kummervoll, ob er denn sogar jetzt noch nicht genügend Treue der Partei gegenüber aufbringen könnte, um zu wünschen, das getane Unrecht wieder gutzumachen. Wenn seine Nerven nach stundenlangem Verhör in Fetzen waren, dann konnte ihn sogar

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