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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Deutschland, sprichst also deutsch. Mit dem, was dir an offiziellen Eigenschaften fehlt, wird die Behörde dich schon herausputzen. Und schließlich – das scheinst du vergessen zu haben – bist du von mir in einem feierlichen Akt vereidigt worden. Also, gute Reise! Und, ich hab’s mir inzwischen überlegt, es geht gleich nach Wiesbaden.«
»Hat die Phantomzeichnung schon was erbracht?«
»Ja, dreißig bis vierzig Hinweise aus der Bevölkerung, teils von Leuten, die sich wohl nur wichtig machen wollen, teils aber auch von Personen, die glaubwürdig sind. Wir gehen allen Angaben nach. Bei den meisten ist die Spur leider schon im Sande verlaufen. Man kennt das. ›Ich hab’ ihm auf dem mercado eine Kokosnuß verkauft.‹ ›Er war in meinem Restaurant; da, genau da hat er gesessen, und ich glaub’, er hat paella bestellt, ja, und ein Glas Bier, nein, zwei …‹ ›Er saß mir gegenüber im Bus.‹ Und so weiter. Einige Hinweise sind interessant; sie bilden geradezu eine Serie. Es sind die Aussagen von Hotelangestellten, die dem Gesuchten Zimmer vermietet haben, und zwar genau die Zimmer, in denen die Lautsprecher angebracht waren.« Er sah auf die Uhr, fragte dann: »Du bist also wirklich bereit, die Reise zu machen?«
»Ja.«
»Ab wann?«
»Ab sofort.«
»Dann fahren wir jetzt zum Rathaus. Da wirst du gründlich eingewiesen, kriegst die Tonbänder mit den Stimmen der Gangster, die Fingerabdrücke und die Fotos der drei Toten und auch ein Exemplar der Phantomzeichnung. Und du kriegst dein Ticket, deine Spesen und die Namen der Leute, mit denen du drüben zu tun haben wirst. Ich mach’ dich dann auch gleich mit deinem Begleiter, Licenciado Ortega, bekannt. Wer wird inzwischen das REFUGIO führen?«
»Ich hab’ einen Stellvertreter. Außerdem sind meine Eltern wieder da.«
»Gut. Im Rathaus telefoniere ich erst mal, und danach ist eine Sekretärin von AERO MEXICO nur noch mit eurer Reise befaßt. Wir sorgen auch dafür, daß ihr in Frankfurt vom Flughafen abgeholt und nach Wiesbaden gebracht werdet.«

6.
    Sie hatten sich einen CHRYSLER gemietet und fuhren über die Costera .
    Vieles, sehr vieles war jetzt anders. Sie waren nur noch zu dritt und mußten sich nicht mehr mit Dioxinfässern und komplizierten Geräten befassen, brauchten nicht mehr zu trainieren und auch keine Verräter abzuwehren, hatten dafür zwar einige Morde auf dem Gewissen, aber andererseits eine Menge Geld erbeutet, für die, wie Richard auf einem Taschenrechner herausgefunden und zu Beginn der Autofahrt seinen beiden Partnern emphatisch mitgeteilt hatte, ein Beamter der mittleren Laufbahn zweitausend Jahre lang tagein, tagaus zu seiner Behörde wandern und sieben oder acht Stunden Dienst ableisten mußte.
    »Und steuerfrei!« hatte Felix ergänzt.
»Nein«, hatte Richard ihn korrigiert, »unsere Steuer müssen wir in Panama entrichten, oder wie immer wir die fünfundzwanzig Prozent Verlust nennen wollen. Trotzdem, tausendfünfhundert Jahre Dienst ist immer noch ein starker Vergleich.«
Das war vor einer halben Stunde gewesen, gleich nachdem Leo zugestiegen war. Sie hatten schon viermal gewendet, beschränkten sich bei dem Hin und Her auf den am dichtesten befahrenen Streckenabschnitt der Costera , den zwischen malecón und DIANA-Denkmal. Kurz vor dem Parque Papagayo scherte Felix, der den Wagen gemietet hatte, nach rechts aus, hielt am Bordstein.
»Leute, hab’ ich einen Durst! Meint ihr nicht, wir könnten es mal riskieren, in ein schummeriges Lokal zu gehen? Überall sieht man schon wieder ganze Rudel von Touristen, und wir haben doch überhaupt nichts Auffälliges an uns!« Er nahm die Zeitung von der Konsole, zeigte Leo, der neben ihm saß, und auch Richard, der den beiden von hinten über die Schultern sah, noch einmal sein Phantombild, schlug mit den Fingerspitzen auf das Papier. »Dieser Hinterwäldler hat mehr Ähnlichkeit mit Raúl als mit mir!«
Leo nahm die Zeitung in die Hand, betrachtete wohl zum fünften oder sechsten Mal die Zeichnung.
»Stimmt«, antwortete er, »aber es geht weniger um dein Gesicht als darum, daß wir Europäer sind und keine Frauen bei uns haben.« Er wandte den Kopf, sah erst Felix, dann Richard an, fuhr fort: »Schon das Licht der Straßenlampen reicht aus, um erkennbar zu machen, daß wir sportliche Typen sind, aber nicht in Richtung Golf oder Federball, sondern eher in Richtung Rugby oder American Football. Jedenfalls, wenn ich ein mexikanischer Polizist wäre, würde ich – nach den Ereignissen der

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