1986 Das Gift (SM)
an Bretterbuden und Bäumen, und sogar am Heck eines vor ihm fahrenden Lasters entdeckte er eins.
Er behielt noch eine Weile die eingeschlagene Richtung bei, fuhr bis an den Stadtrand. Kurz bevor er den Verteilerring erreichte, von dem die Straßen nach La Sabana und Puerto Marqués abzweigten, sah er etwa hundert Meter voraus ein starkes Aufgebot an Militär- und Polizeifahrzeugen. Er bog rechts ab, wendete, hielt an, stieg aus und öffnete den Kofferraum. Er tat so, als suchte er nach Werkzeug, beobachtete aber aus den Augenwinkeln das Geschehen: Jeder Wagen, ob er stadtaus- oder stadteinwärts fuhr, wurde kontrolliert. Er zweifelte nicht daran, daß es auf den anderen Ausfallstraßen genauso zuging. Er schlug den Kofferraumdeckel zu, setzte sich wieder ans Steuer, fuhr zurück in die Stadt.
Als er das DIANA-Denkmal erreicht hatte, sah er drei Männer, die offenbar mit den Plakaten unterwegs waren. In einem Stationwagen waren sie am HYATT CONTINENTAL vorgefahren, stiegen gerade aus, beluden sich mit dicken Papierrollen. Hoffentlich hat Leo sich beeilt!
Er fuhr weiter, bemerkte auf der Gegenfahrbahn zwei Wagen der Radio Patrulla. Sie waren schnell vorbei, und er dachte: Die sind schon mal nicht hinter mir, wenn ich Richard jetzt aufpicke!
Kurz vor der Brücke über den Rio Camarón verlangsamte er die Geschwindigkeit. Auf der anderen Seite war der erste Treffpunkt. Er sah in den Rückspiegel. Hinter ihm fuhr ein Bus, der gerade zum Überholen ansetzte. Noch einmal trat er auf die Bremse, ließ das knatternde, bis zu den Trittbrettern besetzte Vehikel vorbei, sah wieder in den Spiegel. Das nächste hinter ihm fahrende Auto war gut fünfzig Meter entfernt. Er blickte nach vorn, dorthin, wo Richard zusteigen sollte, war überrascht, gleich beide Freunde zu entdecken, fuhr zu ihnen, hielt an. Leo stieg vorn, Richard hinten ein, und weiter ging die Fahrt.
»Seid ihr auch ganz sicher, daß …«
»Absolut!« sagte Richard.
»Wohin? Habt ihr schon eine Idee? Raus aus der Stadt, das geht nicht. Hab’ ich eben probiert. Die Strecke in Richtung Flughafen ist dicht, und auf den anderen Straßen wird’s genauso sein.«
»Vielleicht mit einem Boot?« fragte Richard.
»Ausgeschlossen!« antwortete Felix. »Draußen vor der Bucht kreuzt mit Sicherheit die coast guard.«
»Ich meine es anders. Wir mieten uns ein Motorboot und fahren ein paar Stunden in der Bucht hin und her. Also nicht raus. Vielleicht sogar mit Wasserskiern. Wir müssen uns benehmen wie alle anderen.«
»Und dann?« Leo hatte sich umgedreht. »Sollen wir ein Boot für zehn oder zwölf Stunden mieten? Dadurch würden wir auffallen.«
»Nein, für drei. Danach ein anderes und immer weiter so, bis es dunkel geworden ist.«
»Und danach?« Diesmal kam die skeptische Frage von Felix.
»Dann raus aus der Stadt, irgendwie. Über Land. Ohne eine Straße zu benutzen. Mitten durch die Slums. Da stehen die Bullen doch nicht Mann bei Mann.«
»Leute, ich hab’ eine Idee!« Felix schlug sich an die Stirn. »Wir graben, sobald es dunkel geworden ist, die Scooter aus, und ihr versucht es durchs Wasser! Ihr braucht ja nicht den ganzen Weg um die Halbinsel De las Playas zu machen, sondern nur ein paar hundert Meter, nur das kleine Stück, das euch an den Kontrollposten vorbeibringt, die an Land stehen.«
Er bekam keine Antwort, fuhr daher fort:
»Während ihr die Strecke unter Wasser zurücklegt, bring’ ich den CHRYSLER durch die Sperre, lasse mich auf Herz und Nieren prüfen, setze meine Reise fort und erwarte euch am Strand. Dann seid ihr jedenfalls erst mal draußen.«
»Die Scooter kannst du vergessen«, antwortete Richard schließlich. »Wir haben sie ja nicht mal in Folie gewickelt. Sie sind also total versandet. Außerdem haben wir keine Akkus mehr.«
»Verdammt!« Wieder gab Felix seinen Worten Nachdruck, schlug mit der flachen Hand gegen das Lenkrad.
»Wenn die Nacht erst da ist, fällt uns schon was ein«, sagte Leo. »Fürs erste brauchen wir eine Zwischenlösung. Felix, du kennst doch die zona roja .«
»Ja, da gibt es die armseligsten Puffs der Welt.«
»Was hältst du davon, wenn du uns hinbringst? Besorgst vorher ’ne Flasche Tequila, besprengst uns damit, und dann kommen wir halb betrunken da an, trinken mit den Huren weiter, und irgendwann kippen Richard und ich vom Hocker. Du nicht, denn du hast wegen einer Magengeschichte nur Mineralwasser getrunken. Weiter: Du sagst den Miezen, in einem solchen Zustand könntest du deine Freunde unmöglich zu ihren
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