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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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bißchen persönlicher: Stimmt das alles, Paul?«
    Er drehte sich kurz um, lächelte sie an, sah wieder auf die Fahrbahn. »Erstens: Ich bin einverstanden. Zweitens: Es stimmt. Geht aber nicht anders. Ich hab’ mich nun mal bereit erklärt und bleibe auch dabei, bis wir die Burschen haben. Aber jetzt erzähl uns: Wo überall bist du gewesen?«
    »Erst in der Hauptstadt.«
»Und? Wie hat sie dir gefallen?«
»Sie hat mich zugleich schockiert und fasziniert. Man
    braucht nur ihre riesigen Straßen abzufahren, die Insurgentes , die Reforma , den Periférico , und man glaubt, was manche behaupten: daß sie mittlerweile die größte Stadt der Welt ist. Aber man glaubt auch, daß sie irgendwann einen Kollaps kriegt und an ihrer eigenen Größe zugrunde geht. Achtzehn Millionen Einwohner offiziell und dazu noch eine gewaltige Dunkelziffer. Im Zentrum hat man immer das Gefühl, mitten in einer Massendemonstration zu stecken. Dabei ist es nur das ganz normale Fußgänger aufkommen. Trotzdem, es gibt auch noch ruhige Plätze, zum Beispiel im Stadtteil San Angel . Den fand ich besonders schön.«
    »In welchem Hotel bist du abgestiegen?«
»In keinem. Ich hab’ bei den Leuten gewohnt, die mich mitgenommen haben. Ich war sprachlos, als sie sagten, ich könnte so lange bleiben, wie ich wollte. Sie sind zwar Deutsche, aber ich glaube, diese Form der Gastfreundschaft, so spontan und großzügig, ist mexikanisch.«
»Das stimmt«, sagte Paul Wieland, »und die Ausländer, die hier wohnen, übernehmen das. Und wo warst du sonst noch?«
»In Veracruz. Ich finde, die Stadt ist mit Acapulco nicht zu vergleichen; aber das ist ja auch klar, die eine ist eben ein Seebad und die andere ein Handelshafen. Mir hat die plaza gut gefallen mit ihren Straßencafés und den vielen Marimbaspielern.«
»Und was sagt man im Lande zu dem Dioxin-Anschlag auf Acapulco?«
»Soweit ich es mitbekommen habe, ist ganz Mexiko empört. Auf der Plaza Garibaldi hab’ ich mich mit einem Schuhputzer unterhalten, der ein bißchen Englisch konnte. Er war höchstens fünfzehn Jahre alt, und er redete so, als hätte diese Handvoll schäbiger gringos sich an seinem Eigentum vergriffen. Also: Solidarität ringsum.«
»Hast du die Fahndungsplakate gesehen?«
»Ja, überall! Auf dem Flughafen denkst du, es ständen Wahlen vor der Tür, so dicht hängen da die Bilder. Aber sag mal, was heißt das: Du sammelst leichte Mädchen ein?«
»Das sind Zeugen«, antwortete er und beschrieb Lupitas und Raquels Auftritt in der Kommandantur.
»Die Meldung von Interpol war leider negativ«, sagte er dann, »und auch hier vor Ort sind wir noch nicht weitergekommen. Zwei Tage lang haben wir die beiden Mädchen und dazu noch eine muchacha , mit der dieser dritte Mann auch Kontakt gehabt haben soll, von Hotel zu Hotel gebracht. Das kostet jedesmal eine Menge Vorarbeit. Wir müssen sämtliche Hotelanmeldungen durchforsten und die Namen aller alleinreisenden Männer im Alter zwischen dreißig und fünfzig Jahren herauspicken. Am interessantesten sind diejenigen, die in der Nacht, als das Giftschiff abfuhr, angekommen sind und die überdies der Phantomzeichnung ähneln und dann auch noch deutsch sprechen. Morgens, wenn der Betrieb in den Hotels losgeht, bringen wir die Mädchen in Position. Die wichtigste von ihnen ist natürlich Raquel, weil sie den Mann zuletzt gesehen hat. Aber bis jetzt hatten wir nur Fehlanzeigen. Heute sind das HOLIDAY INN und das EL CANO an der Reihe. In beiden Hotels gibt es zur Zeit mehrere alleinreisende Männer, die dem Alter nach in Frage kommen, aber unsere absolute Nummer eins ist ein Mann aus dem EL CANO, bei dem alles zutrifft: um die Vierzig, Deutscher, Single. Auch das Phantombild kommt hin, und er ist in der fraglichen Nacht gegen ein Uhr eingetroffen. Sein Zimmer wird seit heute morgen von der Polizei unter Kontrolle gehalten. Vom Personal wissen wir, daß der Mann meistens gegen halb zehn zum Schwimmen geht, und zwar ins Meer, nicht ins Schwimmbad. Danach frühstückt er. Wir werden also eine gute Gelegenheit haben, ihn zu beobachten. Übrigens, das alles sind keine Geschichten zum Weitererzählen. Stellt euch mal vor, die Journalisten kriegen Wind von der Sache im Bordell! Die machen sofort ’ne Riesenschlagzeile daraus, und wenn unser Mann die liest, verschwindet er natürlich.«
Sie erreichten den Sperrgürtel, aber Paul Wieland wurde ohne Kontrolle durchgelassen. Er brachte Petra und Christine ins REFUGIO, wechselte das Auto, fuhr gleich wieder

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