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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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betreten habe, und verließ mit Paul Wieland den Raum.
»Und nun?« fragte Wieland, als sie zu den Fahrstühlen gingen.
»… wäre es das Verkehrteste, zuzuschlagen. Er wird rund um die Uhr beschattet, und sein Telefon wird abgehört. Er ist jetzt die Schlüsselfigur, und ich hoffe, er führt uns zu den beiden anderen und zu dem Geld.«

15.
    Der nun schon zwei Tage währende Aufenthalt in der freien Natur machte Leo Schweikert zu schaffen. Vor allem die Hitze setzte ihm zu. Er hatte am Südhang des Cerro Teotepec eine Höhle gefunden, aber der Schutz, den sie gewährte, war zweischneidig. Zwar bot das kleine Versteck genügend Schatten, doch die steinernen Wände und das dachartig überhängende gewaltige Stück Fels wurden durch die Sonne so stark aufgeheizt, daß es tagsüber fast unerträglich darin war.
    Anfangs hatte er erwogen, auf die Nordseite des Berges überzuwechseln, aber zwei Gründe hatten ihn schließlich davon abgehalten. Er war während mehrerer Erkundungsgänge im Norden auf kein Versteck gestoßen, das von der Anlage her so gut zum Verkriechen geeignet war wie der am Südhang liegende Stollen, und außerdem nahm er an, etwaige Verfolger würden nicht aus der unwegsamen Sierra anrücken, sondern aus dem Tiefland, also von Süden her, und da war es wichtig, daß er von seiner Höhle aus die unter ihm liegende Landschaft kilometerweit überblicken konnte.
    Es fehlte noch etwa eine halbe Stunde bis zum Sonnenuntergang. Dann würde die hier in den Tropen nur kurze Dämmerung den Tag vertreiben, das gleißende Licht und die große Hitze, und er würde sich auf den Weg machen zu dem mit Felix vereinbarten Treffpunkt.
    Er sah auf das in der Tiefe sich ausbreitende Land, auf die riesige rotbraune Fläche, die durchsetzt war vom Grauweiß steinerner Inseln und vom staubigen Grün einzeln stehender Bäume, Büsche und Kakteen.
    Er nahm die Plastikflasche, füllte seinen Pappbecher mit dem Mineralwasser, von dem Felix vier Zweiliterflaschen gekauft hatte. Er trank. Das löschte seinen Durst, aber es erfrischte ihn nicht.
    Die Natur ist gegen mich, dachte er. Tagsüber, wenn die Hitze am größten ist, hab’ ich nur lauwarme Brühe in meinen Flaschen, und nachts, wenn das Wasser endlich abgekühlt ist, hab’ ich keinen Durst.
    Er brachte Flasche und Becher zurück in den äußersten Winkel der Höhle, dorthin, wo er sein Proviantlager eingerichtet hatte, kroch dann wieder nach vorn, setzte sich in den Eingang.
    Er nahm den strengen Geruch seines Körpers wahr. Um Wasser zu sparen, hatte er sich bis jetzt nur einmal gewaschen, und dann auch nur das Gesicht und die Hände. Vor allem während der Stunden des höchsten Sonnenstandes war er versucht gewesen, sich auszuziehen, zum einen, damit seine Kleidung endlich auslüfte, zum anderen, weil es ihm zu warm geworden war. Doch jedesmal hatte die Angst vor Tieren ihn davon abgehalten. Er hatte sie auf seinen Streifzügen gesehen, die großen roten Ameisen, deren Bisse wie Wespenstiche schmerzten. Schlangen und Skorpione hatte er noch nicht entdeckt, aber er wußte, daß es sie hier gab.
    Die Hängematte lag zusammengerollt vor dem Stolleneingang. Wenn die Nacht da war, würde er sie wieder aufhängen. Gut, daß unter den in Puerto del Gallo beschafften Sachen auch ein Seil gewesen war. Er hatte es durchschnitten, an die Haltetaue geknotet und dann um zwei große, am Eingang stehende Felsblöcke geschlungen. Bäume wuchsen hier oben nicht.
    In der Ferne, weit unten, sah er wieder den campesino , der eine Ziegenherde vor sich hertrieb. Er hatte den kleinen, sich langsam vorwärtsbewegenden Zug auch gestern beobachtet. Außer diesem Hirten war bis jetzt kein Mensch zu sehen gewesen.
    Er zündete sich eine Zigarette an, dachte: Es ist also schiefgegangen! Kein Chemie-Werk, denn den Chemiker Leo Schweikert darf es von nun an nicht mehr geben! Vielleicht behalten wir nicht mal das Geld! Und es kann sogar sein, daß sie mich kriegen! Aber eins steht fest: Ich werde Felix nicht verraten und auch das Versteck des Geldes nicht preisgeben. Nicht mal, wenn sie mich foltern. Mein Plan war zu gut, als daß nicht wenigstens einer davonkommen müßte!
    Aber vielleicht hat Felix ja doch recht. Vielleicht läßt die Hektik auf den Straßen bald nach, und Bart und Brille und Bräune täuschen tatsächlich über die Ähnlichkeit mit meinem Fahndungsfoto hinweg. Er muß mir unbedingt einen neuen Paß besorgen mit einem Bild, das meinem jetzigen Aussehen entspricht. Und wenn der

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