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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Insgesamt fanden etwa 35 000 Tiere den Tod. Menschen erkrankten, sei es durch die direkte Einwirkung des Giftes, sei es, weil sie befallenes Geflügel, Obst oder Gemüse gegessen hatten. Viele Bewohner des verseuchten Gebietes, darunter zahlreiche Kinder, bekamen die gefürchtete ChlorAkne. Schwangere Frauen ließen abtreiben, was im katholischen Italien zusätzliche Probleme aufwarf. Die meisten fuhren ins Ausland. Ihre Angst vor einer Mißgeburt war größer als die Bereitschaft, sich der päpstlichen Autorität zu unterwerfen.
Schweikert stand auf. Er begann, das Geschirr abzuwaschen. Und dann, dachte er, ging’s an die Entsorgung. Man packte das dioxinhaltige Material in Fässer und schickte es auf die Reise. Sie wurde eine Odyssee. Die Fässer verschwanden, und niemand wußte von ihrem Verbleib! Das schlug Wellen. Sechs Jahre nach dem lombardischen Malheur geriet Mister Di wieder in die Schlagzeilen. Die Stimmung war wie nach einer Bombendrohung, nur mit dem Unterschied, daß das Suchgebiet sich nicht auf ein Flugzeug oder einen Zug oder einen Bahnhof beschränkte, sondern halb Europa umfaßte. Das Material wurde dann zwar gefunden und zur Vernichtung nach Basel gebracht, aber geblieben ist der schon fast traumatische Effekt, der von der bloßen Vokabel »Dioxin« ausgeht. Und genau den machen wir uns zunutze! Sollte aber drüben, auf der anderen Seite der Welt, Mister Di den Leuten noch immer ein Unbekannter sein, so wird es gerade dort genügend US-Bürger und Europäer geben, die ihnen erzählen können, was mit ihrer Stadt passiert, wenn sie sich querstellen. Darum bin ich sicher: Sie werden zahlen!

5.
    Felix Lässer bog von der Costera ab, lenkte den erst vor wenigen Tagen erworbenen sandfarbenen 83er FORD GALAXIE nach rechts auf eine schmale Schotterstraße, die sich, abwärtsführend, zwischen dichtstehenden Pinien hindurchwand. Wegen der zahlreichen Biegungen und der Gefahr des starken Staubanfalls fuhr er jetzt langsamer. Er hatte alle Fenster des Wagens geöffnet, dazu das Schiebedach. Da infolge der niedrigen Geschwindigkeit kaum noch Fahrtwind entstand, begann er trotz seiner leichten Kleidung – er trug nur ein Polohemd, Shorts und Sandalen – zu schwitzen. Es war Mittag, und die Sonne stand im Zenit. Mein Kopf, dachte er, fühlt sich an, als hielte ich ihn unter ein Brennglas.
    Er schloß das Schiebedach, nahm erneut eine Biegung, sah kurz nach rechts hinüber. Dort stand der pompöse Rohbau des schwarzen Popsängers Michael Jackson, der gerade dabei war, sich in Acapulco anzusiedeln. Jackson schien mit seinem Domizil, einer Kombination aus Bollwerk und Palast, alle Maße sprengen zu wollen. Das gewaltige Gebäude überragte das Grün der Baumkronen. Seine noch unverglasten Rundfenster wirkten wie zu groß geratene Bulleyes. Felix Lässer erinnerte sich an die Sightseeing-Tour, an der er vor sechs Wochen, einen Tag nach seiner Ankunft, teilgenommen hatte, um sich erste Informationen über die Stadt und ihre Umgebung zu verschaffen. Der Fahrer, ein Mexikaner mit einem reichlich exotischen Englisch, hatte auf das Bauwerk hingewiesen und dann angehalten, damit seine Gäste es fotografieren konnten. Die Nordamerikaner unter den Teilnehmern hatten denn auch sogleich ihre Kameras gezückt. Vielleicht mochten sie Jacksons Gesang gar nicht, vielleicht waren sie sogar negerfeindlich eingestellt, ja, es war durchaus möglich, daß ihnen sein Haus überhaupt nicht gefiel, aber sie hatten sich begeistert gegeben. Eine alte Lady mit lila getöntem Haar hatte entzückt ausgerufen: »That’s America!«
    Lässer näherte sich der Bucht. Der Pinienbewuchs hörte auf. Er konnte jetzt das Wasser sehen, spürte auch schon den erfrischenden Lufthauch vom Meer. Wenige Minuten später hielt er vor einem zweistöckigen Haus in andalusischem Stil. Er zog die Gummihandschuhe aus der Hosentasche, streifte sie über. Dann stieg er aus und betrat die Halle. Sie hatte, im Gegensatz zu den oberen Räumen, keine Klimaanlage. Sowohl zur See- als auch zur Landseite hin war sie offen, so daß, an den zahlreichen weißen Säulen vorbei, der Wind hindurchwehen konnte. Für zusätzliche Kühlung sorgte ein etwa zwei Meter langer Propeller, der sich dicht unter der Decke drehte.
    Er schloß die Tür zur Küche auf, betrat den rundherum weißgekachelten Raum, nahm sich aus dem mit Vorräten vollgestopften Kühlschrank eine Flasche Coca-Cola und ging dann hinauf in sein Schlafzimmer. Er trank, stellte die halbgeleerte Flasche auf dem

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