1986 Das Gift (SM)
Laster eigentlich bringen? Etwa hierher? Wenn der bei uns im Garten steht, denkt die Indianerin oder wer ihn sonst sieht, bestimmt nicht, daß wir das Ding für unsere Fahrten an den Strand brauchen.«
»Niemand kriegt ihn zu sehen«, antwortete Felix, »weil wir …«
Leo hob die Hand. »Leute, so geht es nicht! Seit einer Stunde sitzen wir zusammen, reden mal über die Fässer, mal über die Hotels und jetzt über den Laster. Wir müssen mit System vorgehen; sonst weiß jeder von allem ein bißchen, statt sich in seinem Part hundertprozentig auszukennen. Ich hatte Felix ein paar Aufgaben übertragen, und nun wird er uns informieren, Punkt für Punkt. Jeder merkt sich genau, was für ihn selbst wichtig ist. Wenn er darüber hinaus noch was anderes im Kopf behält, ist es auch gut. Es könnte einer ausfallen und durch einen anderen ersetzt werden müssen. Fangen wir an, meinetwegen mit dem Laster!«
Felix zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete den Kleiderschrank, nahm einen Packen Papiere heraus und legte sie auf den Tisch, sagte: »Also, Lastwagen heißen hier camiones . Der Plan war, einen zu beschaffen und dich, Fernando, weil dein Typ noch am ehesten in die Landschaft paßt, zum Camión -Fahrer zu machen. Den Wagen hab’ ich. Er steht in Ciudad Renacimiento. Das ist die Siedlung, in die man die Armen umquartiert hat, die vorher in den Slums von Acapulco wohnten. Es ist ein Fünftonner mit Plane. Marke HANOMAG, Baujahr achtzig.«
»Warum denn so ein Riesending, wenn wir nur fünf Zweihundert-Liter-Fässer und den Container transportieren wollen?« fragte Fernando.
»Weil wir hinten Umzugsgut laden. Ich hab’ erfahren, daß es zu Kontrollen kommt. Die policía del camino federal , die Frachtpapiere und Ladung überprüft, soll ständig unterwegs sein. Von Veracruz bis rüber zum Pazifik ist es eine Strecke von fast achthundertfünfzig Kilometern. Für uns werden es sogar noch mehr, denn wir müssen die Hauptstadt meiden; da sind die Kontrollen nämlich am schärfsten.« Er suchte eine Landkarte hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. Die vier anderen beugten sich darüber und verfolgten den Finger, der ihnen den Weg beschrieb. »Wir benutzen die Südroute über Cordoba, Orizaba und Puebla, fahren dann, etwa fünfzig Kilometer südlich von México City, über Cuautla nach Cuernavaca und weiter in Richtung Iguala, Chilpancingo, Acapulco. Was nun den Fahrer betrifft, habe ich umdisponiert. Ob ihr beiden, Fernando und Georg, überhaupt noch mitfahrt, muß Leo entscheiden. Ich habe einen Mann engagiert, der uns auch nach dem Transport als Helfer zur Verfügung stehen wird. Da wir ohnehin einen Hiesigen brauchen, fangen wir also zwei Fliegen mit einer Klappe. Es wäre viel zu riskant, mit falschen Papieren unterwegs zu sein. Womöglich nehmen sie den ganzen Plunder auseinander, bloß weil auf irgendeinem Wisch ein Stempel fehlt, von dem wir nichts gewußt haben. Die sind hier zwar alle ziemlich korrupt, auch die Polizei, und vielleicht würden wir mit einer mordida zurechtkommen, also mit Schmiergeld, aber verlassen könnten wir uns nicht darauf. Darum brauchen wir einen einheimischen Fahrer, bei dem alles okay ist. Raúl Vergara, so heißt unser Mann, hat nicht nur den Wagen mit den vorgeschriebenen Versicherungs- und Steuerplaketten auf seiner Windschutzscheibe, sondern er besitzt auch den Gewerbeschein und die Lizenz für Lkw-Fahrer. Außerdem kann er viel leichter als wir die Transportpapiere beschaffen. Er kriegt für die Fahrt achttausend Mark, viertausend vorweg und viertausend bei Ankunft in Acapulco.«
»Und wir brauchen uns keinen Lkw zu kaufen«, sagte Fernando, aber darauf antwortete Felix: »Das ist so eine Sache! Wir müssen ja für die Phase drei einen Laster haben, den wir drangeben wollen. Ihr wißt: das Fahrzeug, das nach beendeter Aktion zwecks Irreführung in die Sierra gestellt werden soll. Davon hab’ ich diesem Raul Vergara natürlich nichts gesagt. Wenn wir seinen Wagen dafür nehmen, ist er dran; es sei denn, er kann glaubhaft machen, daß er ihm geklaut worden ist. Darüber müssen wir noch entscheiden.«
»Das hat ein paar Tage Zeit«, meinte Leo. »Was den Transport betrifft, hast du es, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, richtig gemacht. Aber Fernando und Georg fahren trotzdem mit. Wir können es nicht riskieren, den Mann mit unseren kostbaren Fässern allein durch die Gegend reisen zu lassen, zwölf bis fünfzehn Stunden lang.«
»Eher das Doppelte«, warf Felix
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