1986 Das Gift (SM)
Felsen!«
Schon drei Jahre später war sie eingeschwenkt auf die Linie ihrer Eltern und Brüder, die den »Pfahlbürger«, wie sie ihn nannten, brüskierten, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot, und ihn schließlich hinter Gitter brachten für etwas, woran sie mindestens ebenso schuldig waren wie er selbst. Diese Verurteilung hatte – neben der anderthalbjährigen Haft – eine weitere einschneidende Konsequenz: Er war beruflich am Ende! Kein chemischer Betrieb, der etwas auf sich hielt, würde ihn je einstellen. Die fast zehnjährige, nur durch große persönliche Opfer ermöglichte Ausbildung war null und nichtig geworden.
Er schob den Türflügel, den der Wind zugeweht hatte, wieder auf, hielt seinen Fuß dagegen, sah erneut hinüber zu dem Felsen, dachte: Er steht noch immer da, fest und unverrückbar. Es ist gut, daß ich Acapulco ausgewählt habe, die Stätte meines Irrtums, meiner Verblendung. Was in wenigen Tagen hier geschehen wird, ist ungleich größer und bedeutender als damals der Aufbruch in eine Gemeinsamkeit, die nicht gehalten hat. Wenn alles längst überstanden ist und das Erinnern einsetzt, wird diese Stadt nicht mehr der Platz meiner törichten Illusionen und der Ausgangspunkt meiner späteren Demütigungen sein, sondern der Ort, der mich stark machte, stark gegenüber den Hollmanns.
Vielleicht wird man vom perfidesten Verbrechen aller Zeiten sprechen, wird die Namenlosen, die es begingen, zu Tätern abstempeln, deren kriminelle Energie die von Mördem, Kidnappern und Hijackern weit übertrifft. Dabei bin ich viel weniger gefährlich als die anderen, die von Amts wegen unsere Erde bedrohen. Zugegeben, auch ich stationiere eine Waffe, aber ich bedrohe nur ein Gebiet von fünfzig Quadratkilometern; das ist der zehnmillionste Teil der Erdoberfläche, jenes Gebietes also, das sie bedrohen. Und es gibt noch einen zweiten Unterschied: Meine Opfer hätten die Chance, davonzukommen. Sie könnten fliehen, könnten den zur Ödnis gewordenen Landstrich verlassen, um woanders neu zu beginnen. Jene aber, die den Overkill in ihrem Programm haben, löschen, wenn sie zuschlagen, alles aus, eingeschlossen den Triumph der Übermacht, um den es ihnen geht. Sie sind Paranoiker, müssen irgend etwas Absurdes in ihren Gehirnen haben, einen Virus vielleicht, der zynisch macht und skrupellos und dennoch seinen Trägern das Gefühl gibt, redlich zu sein. Sie kommen mir vor wie eine Cockpit-Crew, die vor dem Start beschließt, noch schnell ein paar Handgranaten an Bord zu nehmen für den Fall, daß es unterwegs zu einem Streit zwischen den Passagieren kommt und sie also – sicherheitshalber – etwas hat, womit sie nach dem Störenfried werfen kann. Wenn die Sache nicht so verdammt ernst wäre, würde man über sie lachen.
Er stand auf, zog den Türflügel heran, schob den Riegel wieder zu, kehrte in den Garten zurück, blieb aber mit seinen Gedanken bei den Paranoikern: Sie gehören in die Klapsmühle, denn worum es ihnen auch geht, es wird, wenn sie zuschlagen, mitzerschlagen. Sie sind wie der Nonsens-Mann, der die Raupe auf seiner kostbaren Rose mit dem Colt erschießt. Ich dagegen will nur ein bißchen Geld, und wenn ich es nicht bekomme und also zuschlagen muß, wird die Erde sich weiterdrehen, wird nur an einer winzig kleinen Ecke angekratzt sein. Doch genau das werden die, die dort wohnen, nicht zulassen. Darum werden sie zahlen. Mein Plan hat einen Sinn, hat Logik; der der anderen ist Wahnsinn!
Kurz vor dem Haus blieb er stehen, sah hinauf zu den Fenstern, setzte dann seinen Weg fort, verließ das Grundstück, gelangte auf die von Pinien gesäumte Schotterstraße. Er dachte: Hoffentlich steht jeder seinen Mann! Felix ist okay. Er hat Intelligenz, Mut und Umsicht. Seine Spielleidenschaft ist unter Kontrolle, und seine Weibergeschichten halten sich in Grenzen. Die anderen drei sind auch gut, aber in fast allem eine Nummer kleiner. Richard ist, glaube ich, der brauchbarste von ihnen. Man nimmt es ihm ab, daß er seinen Funker und sich selbst und die Cannabis-Ladung durch das Gewitter gebracht hat. Georg täte etwas mehr Gehirn und etwas weniger Bizeps gut, aber da läßt sich nichts machen. Zuverlässig ist er jedenfalls. Und Fernando hat auch seine Qualitäten. Fabelhaft, wie er schon jetzt mit seinen Texten umgeht: »Repetimos. Que nadie se atreve a destruir los altavoces …« oder wie es da heißt. Daß niemand sich untersteht, die Lautsprecher zu zerstören! Und dann:
»… sie sind das Bindeglied
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