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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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nicht zu sehen. Es schien, als sei ihr Wagen, wie ein paar andere auch, am Straßenrand abgestellt worden. Um diesen Eindruck nicht zu gefährden, sprachen die fünf mit gedämpfter Stimme, und keiner von ihnen rauchte.
    Felix hatte den Platz am Steuer, Leo den Beifahrersitz, und die drei anderen saßen, ein wenig beengt, hinten.
Es war eine Gegend mit nur wenigen Häusern. Sie lag etwas abseits der breiten, tagsüber stark befahrenen Avenida Cuauhtemoc .
»Ich kann euch den Stadtplan jetzt nicht zeigen«, sagte Felix, »will kein Licht machen. Aber ihr werdet es trotzdem begreifen. Also, es ging darum, das Stadtgebiet nach dichtbebauten Zonen abzusuchen, damit die Dioxinwolken, die sich ja, wie Leo uns erklärt hat, keulenförmig ausbreiten, auch genügend zur Wirkung kommen. Andererseits brauchen wir fürs Deponieren natürlich einsame Gegenden, damit wir nicht gesehen werden.«
»Na, das eine schließt das andere ja wohl aus«, meinte Georg.
»Warte doch ab!« Leo hatte sich bei diesen Worten umgedreht; nun blickte er wieder nach vorn, fragte Felix:
»Wie hast du das Problem gelöst?«
»Leicht war es nicht, weil eine ganz besondere Schwierigkeit hinzukam. Der Wind! Was nützt es, wenn ich am Rand einer dichtbesiedelten Zone ein Faß zur Explosion bringe und der Wind meine Giftwolke nicht auf die Häuser zu-, sondern von ihnen wegtreibt, die Ausbreitungskeule sich folglich an der falschen Stelle entwickelt. Im Grunde müßte ich also mit meinem Gift in die Mitte des Ballungsgebietes gehen. Dann wär’s egal, woher der Wind käme. Nur, da kann ich mein Faß nicht vergraben, denn tausend Leute würden es mitkriegen! Aber wir haben Glück. Es gibt hier eigentlich bloß zwei Windrichtungen. Meine Recherchen beim Wetteramt haben ergeben, daß der Wind in Acapulco tagsüber vorwiegend in Richtung Land weht. Das hängt, wie die Meteorologen mir erklärten, mit der für felsige Küsten typischen Thermik zusammen. Die Steine heizen sich auf, die heiße Luft geht nach oben, und in das entstehende Vakuum dringt kühle Meeresluft ein, die sich also aufs Land zubewegt. Nachts ist es umgekehrt. Nach einer Phase der Windstille weht der Wind von der Küste zum Meer, weil die gespeicherte Wärme dann nicht mehr in den Felsen steckt, sondern im Wasser. Dieses regelmäßige Hin und Her ist wichtig für uns, sehr wichtig sogar. Stellt euch vor, wir packen alle fünf Fässer direkt ans Ufer, vergraben sie womöglich am Strand! Kämen sie dort nachts zur Explosion, dann ginge die Giftwolke seewärts, und wieder würde der große Effekt verpuffen. Also mußte ich die Stadt nach Plätzen absuchen, die kaum bebaut sind, in deren Nachbarschaft aber Wohngebiete liegen, und zwar hügelauf- wie hügelabwärts. Wenn ich das Ganze graphisch darstellen sollte, würde ich eine Sanduhr malen. Die beiden dicken Teile sind dann die besiedelten Gebiete, von denen, je nach der Windrichtung, entweder das eine oder das andere von meiner Keule erfaßt wird. Und die enge Stelle, die Wespentaille, also die Gegend ohne Häuser, ist der Platz, an dem ich das Faß in Ruhe vergraben kann. Na ja, ich hab’ fünf solcher ›Sanduhren‹ gefunden. Sie sind nicht gerade erstklassig, aber doch brauchbar. Alles klar?«
»Ja«, antworteten Leo und Richard. Georg schwieg.
Fernando sagte: »Die Leute im Krisenstab würden ja gar nicht wissen, daß die Wirkung verpuffen könnte. Klar, ihre Windverhältnisse kennen sie, aber wir hätten ihnen wohl kaum die Standorte der Fässer mitgeteilt!«
Jetzt war es Felix, der sich umdrehte. »Das ist richtig«, sagte er, »und, wenn nötig, müssen wir ihnen klarmachen, daß unser Gift in jedem Fall auf Wohngebiete zielt, egal, ob auf- oder ablandiger Wind weht. Und natürlich sollten wir uns beim Deponieren dann auch danach richten.« Er wandte sich Leo wieder zu: »Das meinst du doch auch?«
»Klar! Wenn wir mit Gefahren drohen, müssen sie existieren; sonst könnten wir genausogut Fernandos Blumenerde benutzen, und das wiederum hieße, daß wir im Grunde leere Fässer vergraben könnten, ach was, wir bräuchten überhaupt nichts zu vergraben! Attrappen zu verstecken, wäre ein Widerspruch in sich. Da würde es genügen, sich auf die Installation von Lautsprechern zu beschränken, sich mit dem Boot in die Bucht zu legen und dann die Durchsage abzuspulen. Nein, solche Kindereien machen wir nicht. Aber nun noch mal zu den Schmalstellen! Das sind also wenig bebaute Zonen, und die brauchen wir, weil wir beim Vergraben der Fässer

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