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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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einem Palmenwald abgeladen, damit auf jeden Fall der problematische Anteil der Fracht als erstes in den Laderaum käme. So war es dann auch geschehen. Der Container steckte ganz in der Tiefe, stand unmittelbar hinter der Fahrerkabine. Dann folgten die Fässer. Nach Verlassen des Hafengeländes waren die drei Männer mit ihrem halbgefüllten Laster in den Palmenwald gefahren, hatten zugeladen, so daß, als es weiterging, Mister Di und der Container hinter Schrankteilen, Bettgestellen, Stühlen, Tischen und anderem Hausrat verborgen waren. Eine Kontrolle der Ladung, das wußten sie, würde vor allem am Heck des Wagens stattfinden, und sollte danach der Kontrolleur noch einen Blick durch das rückwärtige Fenster der Fahrerkabine werfen, so würde er auf den Container sehen, ein Stück Fracht also, das zum deklarierten Umzugsgut nicht unbedingt in Widerspruch stünde, jedenfalls weniger, als fünf Fässer es täten. Die Möbel zu beschaffen, war ein leichtes gewesen; Raúl Vergara hatte einfach für ein paar Tage seine Wohnung in Ciudad Renacimiento ausgeräumt.
    Nun fuhr der Wagen auf der carretera 150 westwärts. Die Fahrerkabine war für die drei Männer groß genug. Leo saß rechts am Fenster. Der Laster ächzte die östliche Sierra hinauf, fuhr auf besonders steilen und kurvenreichen Streckenabschnitten nur im Schrittempo.
    »Wenn wir erst im Hochland sind«, sagte Raul, »wird es besser; dann fahren wir fast so schnell wie die großen Reisebusse.«
    Der etwa vierzigjährige Mexikaner war ein kräftiger, vierschrötiger Mann, untersetzt, stiernackig, mit einer graudurchwirkten schwarzen Mähne und einem mächtigen, ebenfalls grauschwarz changierenden Schnurrbart. Er trug ein olivfarbenes Hemd, eine speckige braune Lederweste und eine dunkelgraue Cordhose. Um seinen Hals lag ein locker gebundener, leuchtendroter Schal. Er hatte kräftige gebräunte Hände. Nach dem ersten Zusammentreffen hatte Leo zu Richard gesagt: »Er hätte zu den wilden Reitern von Pancho Villa und Emilio Zapata gepaßt, ist so ein Typ, der auch mit drei Kugeln im Bauch noch ’ne ganze Weile stehenbleibt. Er gefällt mir.«
    Und Richard hatte geantwortet: »Mir auch. Der läßt so leicht niemanden an unsere Fässer ran.«
Auch mit seiner Fahrweise waren die beiden zufrieden. Er wich mit seinem Fünftonner geschickt den Schlaglöchern aus, schnitt Kurven nur, wenn er voraus genügend Sicht hatte, und als in etwa achthundert Meter Höhe plötzlich Nebel aufgekommen war, hielt er sich kilometerlang ganz rechts. Leo hatte zu Beginn der Fahrt gesagt: »Sicherheit geht vor Schnelligkeit!« Das befolgte er also.
Über den HANOMAG hatten die beiden Deutschen zunächst gelacht, so bunt sah er aus. Leo war sogar der Meinung gewesen, er sei zu auffällig. Aber Richard hatte ihm erklärt: »Ich kenne das von Südamerika her. So fahren sie alle, diese Indios und Mestizen. Sie sind verspielt. Vorn zehn Lampen, hinten zehn Rücklichter, ringsherum ganze Ketten von Glühbirnen, wie auf einem Jahrmarkt, an den Wänden Parolen, auf der Kühlerhaube ’ne Marienfigur und in der Kabine den Gekreuzigten, dazu die Fotos von der Sippe und für die Hupe möglichst die ganze Tonleiter.«
Die drei sprachen vorwiegend spanisch miteinander. Raúl konnte zwar ein bißchen Englisch und versuchte sich zunächst auch darin, doch Leo und Richard antworteten so beharrlich in seiner Muttersprache, daß er es bald aufgab. Wenn es etwas zu bereden gab, was nicht für seine Ohren bestimmt war, benutzten die beiden anderen das Deutsche, vorgebend, es handele sich um komplizierte Angelegenheiten, für die ihr spanischer Wortschatz nicht ausreiche.
Kurz nach Mitternacht kamen sie in Córdoba an. Als sie das Ortsschild passierten, dachte Leo an das Plakat in seiner Zelle, auf dem der Cordobés abgebildet war, der aber nicht aus dieser, sondern aus der spanischen Stadt gleichen Namens stammte. Er hatte ihn deutlich vor sich, den leicht nach hinten gebogenen Matador, seine faszinierende Gestalt, die Eleganz und Kraft ausdrückte, Tanz und Kampf. Kurz vor dem Angriff, dachte er, wenn wir mit unserem Boot in der Bucht liegen, wird diese äußerste Anspannung auch in uns sein, und dann wird es heißen:
»Geh in die Knie, Acapulco, oder wir machen aus dir eine Wüste!«
An der Ausfahrt von Córdoba wurde getankt. Raúl bezahlte, denn die Fahrtkosten waren – ausgenommen die Schmiergelder – im vereinbarten Preis enthalten.
Da es schon dunkel war, konnten sie von der Landschaft nicht mehr

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