1986 Das Gift (SM)
eine Coco loco , und so ließ auch Paul Wieland sich den Mix aus Kokosmilch, Gin, Eis und Zitrone bringen, der in der dickwandigen Frucht serviert wurde.
Obwohl sie dem Ufer sehr nahe waren, konnten sie das Meer nicht sehen, weil Palmen davorstanden. Aber sie rochen es und hörten den verhaltenen Wellenschlag.
»Schön ist es hier!« sagte sie.
»Ja.« Er betrachtete sie, die der Zufall ihm ins Haus geweht hatte und die er schön fand wie keine vorher. Die Sonne von Acapulco hatte sie in einer Woche tief gebräunt, und das Blond war noch heller als bei ihrer Ankunft. Ihm gefiel auch ihr Kleid, khakifarben, sportlich, ein bißchen im Safari-Look.
»Hab’ ich die Prüfung bestanden?« fragte sie.
»Oh, Entschuldigung! Ich sah Sie gerade am Fuße des Kilimandscharo einen Löwen jagen. Das Kleid steht Ihnen gut. Was machen Sie eigentlich in Hamburg?«
»Ich studiere Germanistik und Spanisch, geh’ demnächst ins Examen.«
»Wollen Sie Lehrerin werden?«
»Nein, da hätte ich kaum eine Chance. Bei uns gibt es fünfzigtausend arbeitslose Lehrer, und mit jedem Jahr werden es mehr.«
»Aber was kann man mit Ihren Fächern sonst anfangen? Beruflich, meine ich.«
»Vielleicht geh’ ich in eine Fernsehredaktion. Aber ich könnte auch als Spanien-Korrespondentin für deutsche Zeitungen in Madrid arbeiten.«
»Oder in Lateinamerika.«
»Ja, das ginge auch.«
»Sind Sie in Hamburg geboren?«
»Nein, auf der Insel Sylt. Da leben meine Eltern. Sie haben ein Gästehaus in Westerland.«
»Dann gehören wir ja sozusagen zur selben Branche.«
»Ja, aber auf Sylt ist alles viel schwieriger als hier, weil wir nur eine Saison von hundert Tagen haben. Natürlich kommen auch ein paar Gäste im Frühjahr und im Herbst, sogar im Winter, nur, es sind nicht genug, und so müssen die meisten Sylter von den hundert Sommertagen ein ganzes Jahr leben.«
»Ich hab’ in einer deutschen Zeitung gelesen, daß die Insel durch Sturmfluten gefährdet ist.«
»Das stimmt.«
»Und? Wie soll es weitergehen?«
»Wenn man nichts dagegen tut, ist Sylt irgendwann verloren.«
»Was kann man denn da unternehmen?«
»Sandvorspülungen. Die letzten Stürme haben uns aufgeschreckt. Jedes Jahr ging unsere Küste ein bis zwei Meter zurück, aber wenn man jetzt über den Strand wandert, sieht man gewaltige Erdbewegungen. Riesige Bagger holen Sand aus dem Meer, und der wird dann ans Ufer gepumpt und dort aufgeschüttet, zum Schutz.«
Paul Wieland ließ zwei neue Drinks bringen, und dann sagte er: »Eine alptraumhafte Vorstellung! Ein Ferienparadies, das vom Untergang bedroht ist!«
»Es wird nicht untergehen; die Sylter lassen das nicht zu. Das Problem ist nur: Die Gegenmaßnahmen kosten viel Geld. Etliche Millionen, und das jedes Jahr.« Sie blickte auf die Palmen am Strand. »Ah, das Meer! Wie es riecht! Seien Sie froh, daß der Pazifik friedlicher ist als die Nordsee, jedenfalls an dieser Stelle.«
»Ja, das bin ich auch. Wir müssen nicht jedes Jahr einen oder sogar zwei Meter Küste hergeben und brauchen also keine Sandvorspülung. Dies ist ein Paradies mit Garantie. Trinken wir darauf! Salud! «
»Salud!«
»Es ist jetzt zwei Uhr«, sagte er dann, »aber da wir ja Ihre Ferien verlängern wollen und es dabei auf jede einzelne Stunde ankommt, sollten wir noch ein bißchen am Strand entlanggehen.«
»Ja, gern.«
Sie verließen den Pfahlbau, gingen hinunter zum Strand, zogen die Schuhe aus. Und dann nahm er ihre Hand, und so wateten sie durch das warme Wasser.
13.
Leo hatte den Einsatzplan geändert, hatte es plötzlich, beim späten Frühstück zu fünft, als notwendig angesehen, die Fässer auf ihrer langen Reise durchs Land selbst zu begleiten. Doch außer dem Wunsch nach der persönlichen Überwachung des Transportes gab es noch einen weiteren Grund für diese Änderung. »Wenn ich«, so hatte er erklärt, »die Brauchbarkeit eines Mannes überprüfen will, dann ist dafür eine gemeinsame Reise genau das Richtige.«
Die anderen hatten ihm zugestimmt, und so war er, zusammen mit Richard, in die Hauptstadt und dann weiter nach Veracruz geflogen.
Am Abend hatten die beiden sich mit Raúl Vergara getroffen. Da waren die fünf Fässer und der Container mit Hilfe sorgfältig abgestufter Dollarbeträge, deren Höhe sich nach dem Status der Empfänger gerichtet hatte, schon durch den Zoll geschleust worden. Das Verstauen der Ladung auf dem Lkw war nach einem von Felix ausgetüftelten Plan erfolgt. Auf der Hinfahrt hatte Raúl kurz vor Veracruz sein Umzugsgut in
Weitere Kostenlose Bücher