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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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aber auch, weil ich sie allein ließ. Das hielt ich nicht lange durch, und irgendwann sagte ich mir: Jetzt ist es an der Zeit! Ich ging. Und fühlte mich sofort wohler. Hombres , allein die chamacas , die seitdem alle wieder für mich da sind!«
» Chamacas ?« fragte Richard. »Das Wort kenn’ ich nicht.«
»Na, das sind natürlich Mädchen.«
»Wie sieht es mit deiner Arbeit aus?« fragte Leo. »Hast du Aussicht, einen festen Job zu kriegen?«
»Kaum. Ich ging ja nach Acapulco, weil ich glaubte, da wären die Chancen größer. Irrtum! Die paar Fabriken, die es da gibt, haben ihre eigenen Fahrer.«
»Und was hast du nun vor?«
»Vielleicht geh’ ich rüber in die Staaten. Ein Freund von mir hat in San Diego eine Hühnerfarm. Der könnte mich brauchen. Wenn ich den Job mit euch hinter mir hab’, hau ich erst mal ab nach Tijuana. Ihr wißt, wo es liegt?«
»An der Grenze«, antwortete Leo, »gegenüber von San Diego.«
»Ja. Und von da aus komme ich irgendwie rüber, entweder schwarz, oder mein Freund fädelt von der anderen Seite her was ein.«
»Wie ist denn der Kontakt zu deinen Eltern und Geschwistern?«
»Ich hab’ sie lange nicht gesehen. Sie leben alle am See. Am Patzcuaro-See.«
»Und deine Nachbarn in Ciudad Renacimiento? Verstehst du dich gut mit ihnen?«
»Bin da noch nicht heimisch geworden. Was sind schon vier Wochen! Ein paar Worte über den Zaun, das war bis jetzt alles. So, nun seid ihr mal wieder an der Reihe! Elektronik-Teile in einem Petroleumfaß, das ist zwar ’ne ganz witzige Idee, aber mehr auch nicht, wenn so ein Faß ein paar Zentner wiegt. Was ist also wirklich drin?«
»Es könnten zum Beispiel ganze Motorblöcke drin sein«, sagte Leo, »und die haben schon ihr Gewicht.«
»Okay, okay. Ich kann ruhig schlafen, auch wenn ich nicht so genau weiß, was ich da für euch von Küste zu Küste schaffe. Hauptsache, ich kriege mein Geld und wir kommen ungeschoren rüber zur anderen Seite. Machen wir eigentlich irgendwo Rast?«
»In Cuautla. Da schlafen wir zwei, drei Stunden, und anschließend gibt es ein kräftiges Frühstück.«
Kurz hinter Puebla überholte sie ein Wagen der Radio Patrulla . Das Warnlicht war nicht eingeschaltet, und so erkannten die drei das Fahrzeug erst, als es mit ihnen auf gleicher Höhe war. Und da kam auch schon die rote Kelle heraus, ging auf und ab.
Raúl fuhr rechts heran, hielt hinter dem Polizeiauto. Der Mann – es war einer in der blauen Uniform, die Raúl, wie er beim Antritt der Reise erklärt hatte, weniger fürchtete als die braune – kam ans Fenster und fragte nach den Papieren. Raúl reichte sie bereitwillig hinaus, alle einzeln, die Fahrerlizenz, die Wagenzulassung, die Versicherungskarte, den Gewerbeschein, den Frachtbrief. Dann fragte er: »Willst du auch noch meine Taufurkunde sehen?« Aber er lächelte den anderen dabei so fröhlich an, daß der zurücklächelte. »Ist in Ordnung, ihr könnt weiterfahren!«
Raúl verstaute die Papiere hinter sich auf der Ablage. Dann zündete er den Motor, sah kurz in den Spiegel und scherte wieder ein in die Fahrbahn. Vor ihnen tauchten die Rücklichter des Polizeiautos ins Dunkel.
Leo und Richard holten ihre Zigaretten hervor. Raúl war Nichtraucher, aber er hatte ein paar Coca-Blätter in der Westentasche, fischte eins heraus und steckte es in den Mund. »Nachher«, sagte er, »bei Tage, werden solche Kontrollen noch öfter vorkommen, und natürlich kann es sein, daß die Burschen sich auch mal die Ladung angucken wollen. Meistens genügt es, kurz die Plane zu lüften. Ich fahr’ jetzt fünfzehn Jahre, und in der ganzen Zeit ist es mir erst zweimal passiert, daß man den ganzen Krempel, der hinten drauf war, auseinandergenommen hat. Das erstemal, weil ich patzig geworden war. Das hab’ ich mir dann abgewöhnt. Beim zweiten Mal hatten sie einen ganz besonderen Grund. Am Tag vorher waren vier Typen aus dem Gefängnis von México City ausgebrochen, und deswegen guckten mir die Jungs in jeden verdammten Pappkarton.« Er hielt kurz inne, ergänzte dann: »Da hätten sie auch vor Fässern nicht haltgemacht.«
Aber Leo antwortete: »Wahrscheinlich hätten sie jeden Quadratzentimeter von außen gründlich untersucht und die Dinger nur geöffnet, wenn da Luftlöcher gewesen wären.«
Er gähnte. »Ich glaub’, ich warte mit dem Schlafen nicht bis Cuautla, sondern versuch’s schon jetzt.« Er warf den Zigarettenrest aus dem Fenster, kurbelte, weil es kühl geworden war, die Scheibe hoch und lehnte sich in die

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