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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wußte, daß die Entscheidung noch an diesem Tage fallen würde.
Die Männer hatten sich wieder im Zimmer 1610 versammelt. Die Hotelleitung hatte ein Essen geschickt, aber die meisten der Teller waren nur halbgeleert abgeräumt worden. Der Bürgermeister sagte: »Ich habe das Gefühl, wir machen einen Drahtseilakt nach dem anderen. Immer ohne Netz. Und der waghalsigste wird der von heute abend sein, das OctopusUnternehmen. Wir dürfen nicht damit rechnen, daß es gelingt.«
Reyes pflichtete ihm bei: »Der Meinung bin ich auch.«
»Also, es geht jetzt um die Summe«, fuhr der Bürgermeister fort. »Bieten wir ihnen zu wenig, laufen wir Gefahr, daß sie ablehnen und zuschlagen. Andererseits ist jeder Dollar, mit dem wir über das für sie noch akzeptable Minimum hinausgehen, unser zusätzlicher Verlust.«
»Und damit«, warf Paul Wieland ein, »sind wir bei dem wunden Punkt angelangt. Wir kennen dieses akzeptable Minimum nicht und müssen deshalb taktieren, müssen Katz und Maus mit ihnen spielen. Wir haben zwar, dank der schnellen und unbürokratischen Hilfe der Regierung, die ja auch weiß, was sie bei einer Verödung Acapulcos verliert, die fünfundsechzig Millionen bereitliegen, aber wir müssen natürlich trotzdem so niedrig wie nur irgend möglich ansetzen. Die Schwierigkeit ist: Wir können nicht zwanzig oder dreißig Millionen anbieten und dazu erklären, mehr sei nicht da, und uns fünf Minuten später um weitere zehn Millionen nach oben treiben lassen. Wenn das passiert, wissen sie, daß auch fünfdundsechzig Millionen möglich sind. Wir müssen also einen bestimmten Betrag festlegen, und das ist dann wieder …«, er sah den Bürgermeister an, »ein Drahtseilakt. Ich glaube, es darf keine runde Summe sein. Das würde sehr willkürlich aussehen, und dann denken sie, es könnte auch eine höhere runde Summe werden. Darum schlage ich vor, daß wir 21,2 Millionen anbieten. Wir sagen, mehr sei nicht vorhanden. Wir können natürlich auch noch einen Trick versuchen, indem wir erklären, die Hotels, vor allem die der oberen Kategorien, hätten ihr Geld größtenteils im Ausland, in den USA, in Kanada, in der Schweiz und so weiter. Möglicherweise, so sagen wir, lasse sich mehr herausholen, aber das bedürfe dann zeitraubender Konsultationen. Es müßten Reisen gemacht und Konferenzen abgehalten werden, also fünf bis sechs Tage vergingen mit Sicherheit darüber, und eine Gewähr, daß es dann funktioniere, gebe es natürlich nicht.«
»So konnten wir’s machen«, meinte der Bürgermeister.
»Garcia, es kommt wieder auf Sie an! Sie müssen die Burschen herumkriegen, müssen sie zu der Einsicht bringen, daß sie mit dem Betrag gut bedient sind.«
Garcia stöhnte. »Ich könnte mir für einen Pressesprecher schönere Aufgaben vorstellen! Wie wär’s, Dr. Reyes, probieren Sie es doch mal! Oder Sie, Herr Wieland!«
Aber beide wollten die heikle Mission doch lieber dem Mann überlassen, für den das Sprechen zum Beruf gehörte und der seine Eignung ja auch schon unter Beweis gestellt hatte.
Schließlich erklärte Garcia sich bereit. »Aber wir sollten«, sagte er dann, »die Marschroute gemeinsam abstecken. Ich muß zum Beispiel wissen, wie ich bei einer Ablehnung reagiere oder was ich sage, wenn sie ihrerseits eine Summe nennen, zum Beispiel fünfzig Millionen. Ich muß auf jede Eventualität vorbereitet sein.«
So besprachen sie sich, machten es gründlich, brauchten dafür zweieinhalb Stunden, denn zwischendurch verwarfen sie mehrmals die Summe von 21,2 Millionen. Einigen erschien sie plötzlich als so niedrig, daß sie meinten, damit sei das Scheitern der Verhandlungen vorprogrammiert. Andere wiederum hielten die Summe für zu hoch, führten ins Feld, jede Million, um die der Betrag vielleicht gedrückt werden könne, verringere die jahrelange Belastung der Hoteliers. Am Ende aber einigten sie sich doch wieder auf 21,2 Millionen Dollar.
Um siebzehn Uhr meldete sich die Stimme, die Paul Wieland für die eines Deutschen hielt. Sie ertönte über die ganze Stadt. In englischer Sprache wurden drei Sprengungen angekündigt, und zwar in Abständen von zwanzig Minuten, die erste für 18.30 Uhr im Planquadrat A 7, einer Gegend jenseits der Colonia La Laja , die zweite im Planquadrat Bl auf einer kleinen, wenig besiedelten Landzunge zwischen dem Fraccionamiento Balcones al Mar und der Avenida Los Tanates. Die dritte und – wie es hieß – vorläufig letzte Sprengung sollte im Planquadrat F 1 nördlich der Siedlung Mozimba

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