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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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verbringen.
Jacob Thaden war ein in sich gekehrter Mann, und im Grunde gab es nur zwei Menschen auf der Welt, die Zugang zu seinem Innern hatten: seine Frau und sein Kind. Glück war für ihn das Glück zu dritt.

3
    Die Mine war ein großes Stück weitergetrieben und hatte dabei einen Bogen geschlagen. Vom Guayana-Becken aus war sie nämlich nicht in die Karibische Straße eingefahren, sondern nordwärts gezogen, hatte die Kleinen und die Großen Antillen wie auch die Bahamas links liegengelassen und sich in die östlich von Georgia befindlichen Gewässer begeben. Dort war sie, weit entfernt von der Küste, in die Fänge des Golfstroms geraten und also doch noch, wenn auch erst nach Abschluß ihrer südlichen Eskapade und an einer ganz anderen Ecke der Welt, zum Spielball jener mächtigen Strömung geworden, die sie eigentlich schon von Brest aus nach Norden hätte führen müssen.
    Wenn sie hätte denken und fühlen können, wäre sie vermutlich stolz gewesen auf ihren Standard. Freilich, sie war in die Jahre gekommen und vermochte mit den überzüchteten Artgenossen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts nicht zu konkurrieren, aber verglichen mit ihren Ahnen, war auch sie ein schon hochentwickeltes Geschöpf, neben dem zum Beispiel ihr vermutlich ältester Vorläufer, das Griechische Feuer, ein von Pech und Harz zusammengehaltenes und auch unter Wasser brennbares Gemisch aus Schwefel, Naphtha und Salpeter, drastisch abfiel. Dieser Neandertaler unter den nautischen Feuerwerkskörpern soll bereits vor über dreizehnhundert Jahren bei der Verteidigung von Konstantinopel eingesetzt worden sein. Aber wenn die ihm einverleibten Steine bei der Explosion auch mit Getöse durch die Gegend flogen, hier ein paar Schiffsplanken zerbrachen und dort einigen Seeleuten die Knochen zerschmetterten, so war ein solcher Effekt doch eher kläglich gegenüber der Sprengkraft, die der Ausreißerin von Brest innewohnte.
    Auch die bei der Belagerung von Antwerpen im Jahre 1585 mit Pulver und Steinen gefüllten Schiffe FORTUIN und HOOP, die gegen eine von den Spaniern errichtete Brücke in Marsch gesetzt wurden, gehörten, obwohl von eindrucksvoller Wirkung, noch zur primitiven Form, ebenso die floating petards, die schwimmenden Sprengbüchsen, mit denen die Engländer 1628 gegen die französische Flotte vorgingen. Da war die von David Bushnell konstruierte Unterwasserbombe, die erstmals im amerikanischen Freiheitskrieg zur Anwendung kam, schon eher eine richtige Mine. Sie bekam den Namen des elektrischen Fisches, des Zitterrochens, hieß also torpedo, was soviel wie Lähmung bedeutet und sehr treffend ist, wenn man sich den Zustand eines von ihr beschädigten Schiffes vor Augen führt.
    Sie wurde unter dem Kiel aufgesetzt und mit einem Zeitzünder versehen. Das Anbringen des Sprengkörpers war eine komplizierte Verrichtung. Er konnte lediglich mit einem eigens für seinen Transport konstruierten KleinstU-Boot vor Ort gebracht werden. Der Lenker dieses ebenfalls von Bushnell erbauten Unterwasserfahrzeugs hatte sich zu beeilen, denn ihm stand nur für eine halbe Stunde Sauerstoff zur Verfügung. Der Mann mußte einen mitgeführten Haken von unten in den Schiffsrumpf schrauben, die Mine daran aufhängen und dann dem Wirkungskreis der Bombe so schnell wie möglich entfliehen.
    Bushnells Konstruktion war, wie es bei Waffen so oft der Fall ist, eine zugleich geniale und teuflische Erfindung. Dennoch galt ein anderer als der eigentliche Vater der Seemine, nämlich Bushnells Landsmann Robert Fulton, jener amerikanische Ingenieur, der auch die CLERMONT, das erste einsatzfähige Dampfschiff, erbaute. Es mag grotesk erscheinen, daß ausgerechnet dieser Mann, der für die Weiterentwicklung der Seefahrt so viel geleistet hatte, auch – und das fast zeitgleich mit Bushnell – einen Apparat schuf, mit dem man Schiffe versenken konnte. Doch galt Fultons Leidenschaft beim Entwerfen seiner Mine allein dem Bemühen, das Meer von Kriegsschiffen freizuhalten. So war also schon in jenen Jahren, lange vor dem Atomzeitalter, eine Waffe immer nur so gut oder so schlecht wie ihr Verwender. Was Fulton erfand, mochte noch so nachdrücklich als Präventivmittel konzipiert gewesen sein, der Einsatz seiner Erfindung und ihrer Nachfolger machte zuletzt keinen Unterschied zwischen Kriegs- und Handelsschiffen. Allein im Zweiten Weltkrieg wurden 670.000 Seeminen entweder von Schiffen gelegt oder von Flugzeugen abgeworfen, und sie zerstörten neben zahlreichen

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