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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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westlichsten dieser Unterwasserdepots. Sie hatte fast ein halbes Jahrhundert zwischen der Ile d’Oussant und dem Festland zugebracht, in der Schwebe gehalten durch ihren auf den bretonischen Schelfsockel gesetzten Ankerstuhl. Das Gebiet war in den Karten der europäischen Gewässer als Danger Area ausgewiesen; auch die von der britischen Admiralität herausgegebene Sammlung NEMEDRI – North European and Mediterranean Routing Instructions – führte es auf, also wurde es von den Schiffen weiträumig umfahren.
    Daß die Mine sich aus ihrer Verankerung hatte lösen und aus der markierten Zone entfernen können, mochte auf ein unglückliches Zusammentreffen von Materialermüdung und Witterungseinfluß zurückzuführen sein, oder Herstellungsfehler hatten eine Rolle gespielt. Jedenfalls machte sie sich eines Tages unbemerkt auf den Weg, erwischte den Golfstrom, der in seiner Hauptstoßrichtung zwar nach Nordosten zielt, jedoch mit seinen südlichen Auslegern nahe der Biskaya und vor der portugiesischen Küste fast auf Gegenkurs geht. Mag sein, daß die im Durchmesser etwa metergroße Kugel mehrfach ihre Richtung änderte und im Spiel der freien Kräfte mal ein Stück nord-, dann wieder ein Stück südwärts trieb, vielleicht auch sich bei ihrem Tanz in den Wellen ebensooft nach Osten wie nach Westen bewegte. Genauso war es möglich, daß sie sich in einem Fischernetz verfangen und später, nach einigen hundert Meilen, wieder losgerissen hatte; aber irgendwann wurde sie von dem mächtigen Kanarenstrom gepackt, der dann für einen längeren Zeitraum ihren Kurs bestimmte. Sie driftete an Nordafrika vorbei, kam in die Nähe der Kapverden, hielt schließlich auf das allerdings noch weit entfernt liegende Guayanabecken zu und befand sich damit auf einer Route, die kein Ozeanograph oder Meteorologe, so ihm der bretonische Ausgangspunkt bekannt geworden wäre, vorausgesagt hätte.
    Sie war solide gearbeitet, denn sie stammte aus den ersten Kriegsjahren, einer Zeit also, in der die Metallmäntel der Seeminen noch nicht aus dem billigeren Stahl, sondern aus einer korrosionsbeständigen Bronzelegierung hergestellt wurden.
    Das sprach für eine gewisse Haltbarkeit in ihrem Innern. Sie trug einen Bart aus Algen, Tang, Muscheln, Seesternen und anderen Organismen der Meeresflora und fauna, so dicht und so dick, daß die zwölf Bleikappen fast darin verschwanden.
    Doch die Köpfe dieser im Volksmund als Hörner bezeichneten, etwa zwanzig Zentimeter langen Stäbe guckten noch heraus, und daher würde, sofern die Zündfähigkeit erhalten geblieben war, das massige Polster bei einem Aufprall der Mine auf ein Schiff, eine Bohrinsel oder eine Kaimauer die Detonation wohl nicht verhindern können. Vermutlich würde dann alles ablaufen, wie vor einer Ewigkeit geplant. Die im Horn befindliche Glasröhre würde bersten, die Säure auslaufen und das galvanische Element jenen kleinen Stromstoß erzeugen, der die Zündung bewirkt. Die ganze abscheuliche, von Experten ausgetüftelte Kettenreaktion käme in Gang, und das hieße im Endeffekt: Die zweihundert Kilogramm Sprengstoff, einst von den Arbeitern einer britischen Munitionsfabrik in den Mantel gepackt, würden ihr Zerstörungswerk vollbringen, sehr verspätet und ohne jeden Sinn. So gesehen, stellte die metallene Kugel eine zynische Version der Flaschenpost dar. Ihre Botschaft war die Bombe.
    Ähnlich wie in den kalten Zonen die Eisberge hielt die Mine sich zu etwa neun Zehnteln unter Wasser. Da sie aber viel beweglicher war als die in den Polarmeeren treibenden weißen Blöcke, geriet sie hin und wieder, je nach Stärke und Verlauf der Wellen, ganz unter die Oberfläche. Ob sie je auf ein Schiff treffen würde, hing von verschiedenen Faktoren ab; von der Wachsamkeit des Ausguckpostens, von der Frage, ob das Radargerät ein so kleines Objekt überhaupt erfassen konnte, von den Lichtverhältnissen und natürlich in erster Linie von ihrem Kurs und dementsprechend vom Kurs der Schiffe.
    Manchmal buckelte sie sich aus dem Wasser wie ein Stück Walrücken, aber selbst das weiß schimmernde Mondlicht ließ sie nicht aufglänzen, weil sie ihren flächendeckenden Bewuchs mit sich herumschleppte. Es waren Haie in der Gegend, und hin und wieder kam einer von ihnen dem Fremdling bedrohlich nahe, drehte dann aber ab. Vielleicht waren Hunger und Neugier nicht groß genug, um den Exoten näher in Augenschein zu nehmen oder gar sich auf einen Kontakt mit einem der zwölf Fühler einzulassen. So konnte die

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