1991 - Mhogenas Entscheidung
zurückzuführen, damit er seine ursprüngliche Aufgabe wieder wahrnehmen kann. Falls ich den Kampf gegen die Angreifer überleben sollte, findest du mich in einer der Kälteschlafkammern meiner Station."
Das Hologramm erlosch.
Mit lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der Appell des Tiefenzöllners war zwar sehr eindringlich, kam aber um Jahrzehntausende oder um einen noch längeren Zeitraum zu spät.
Niemand hatte And Reasdots Station gefunden. Botagho zufolge hatte man nicht einmal nach ihr gesucht. Der Zöllner war längst in Vergessenheit geraten, das Tiefenland existierte nicht mehr, der Bahnhof war überflüssig geworden. Wäre er nicht entwendet worden, hätte man ihn schon längst abgewrackt.
Die in der Zone befindliche Station war schon unheimlich genug, doch And Reasdot war ein Lebewesen, und sein Schicksal, vielleicht sogar die Tragik seines Lebens, ging mir nahe.
Ich wandte mich ab und sah Mhogena und Amithuso an. Die beiden Meister des Sandes konnten ihre Erschütterung nicht verbergen, wollten es wohl auch gar nicht. Seit einigen zehntausend Jahren war ihrem Volk die Existenz des Bahnhofs bekannt, ohne dessen Geheimnisse aufklären zu können. Und nun nahmen sie einen Galaktiker mit in den Eingangsbereich, und das Hologramm des Tiefenzöllners konnte es gar nicht abwarten, diesen über das Geschehen zu informieren.
Der Fünfte Bote beobachtete mich kritisch. „Bei dir als ehemaligem Ritter der Tiefe, der sich schon längst von den Kosmokraten abgewendet hat, springt diese Notfallschaltung an", sagte er schließlich, nachdem er sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. „Bei mir als Fünftem Boten von Thoregon ist sie noch nie aktiv geworden, obwohl ich die Station schon mehrere Male betreten habe."
Ich wußte nichts darauf zu erwidern und trottete schweigend hinter ihm her.
Die beiden Gharrer blieben stumm, verdauten offensichtlich noch immer, genau wie ich, was sie gerade erfahren hatten. Mehrere Türöffnungen der grauen, in der Ewigkeit gefrorenen Wände ignorierten sie.
Einige dieser Zugänge standen offen, und ich stellte fest, daß die meisten Räume hinter diesen Pforten mit gharrischer Technik vollgestopft waren. Ich sah zahlreiche Energiekonverter, Konsolen mit Steuerelementen, Verbindungsleitungen und dergleichen.
Dann blieben die beiden vor einem größeren Schott stehen. Unwillkürlich zögerten sie, als wollten sie es sich im letzten Augenblick noch anders überlegen. Aber dafür war es längst zu spät.
Als Mhogena den rechten Arm hob, um das Schott zu öffnen, schien außerordentlich bewegliche, bis zu den Knien reichende, tentakelhafte Gliedmaß plötzlich schwer wie Blei zu sein.
Es ist soweit! sagte der Extrasinn, und ich glaubte, seine fieberhafte Erregung spüren zu können.
*
Laut SERUN unterschied die Temperatur des Raums hinter dem Schott sich nicht oder nur unwesentlich von der des Ganges davor. Selbst wenn es solch eine Differenz gegeben hätte, hätte der Schutzanzug sie ausgeglichen. Ich hätte nichts davon bemerken können.
Daher war mein Frösteln rein psychisch bedingt. Mit der doppelten Kälte, die diesen Raum beherrschte, hatte es nichts zu tun. Sie konnte ich eigentlich nicht wahrnehmen. Und doch ging sie mir bis ins Mark.
Der Raum war ziemlich groß, vereinnahmte fast die gesamte Breite und Länge des Gebäudes. Die Psychologie der Gharrer und der Lemurerabkömmlinge schien ziemlich ähnlich zu sein, was die zweckbestimmte Gestaltung von Räumlichkeiten betraf. Wände, Boden und Decke waren in einem stumpfen, matten Grau gefliest, aus dem wohl schon vor Äonen jede Farbe, jede Lebendigkeit geflossen waren. Die aseptischen Kacheln verbreiteten den Hauch des Todes, schienen den Sensenmann der irdischen christlichen Mythologie unbedingt anlocken zu wollen, auch wenn er eigentlich noch gar nicht vorhatte, einen Besuch abzustatten.
Der Raum verbreitete die Atmosphäre eines Schlachthauses, eines Operationssaals im Krankenhaus oder gar einer Leichenhalle.
Zwölf gläserne Behälter standen in seiner Mitte. Sie erinnerten mich entfernt an die Kristallsärge, in denen ich vor gut achthundertdreiundsechzig Jahren die Reise in die Tiefe angetreten hatte, waren aber keineswegs mit ihnen identisch.
Falls ich den Kampf gegen die Angreifer überleben sollte, findest du mich in einer der Kälteschlafkammern meiner Station, zitierte der Extrasinn And Reasdots letzte Worte. Ich rechnete halbwegs damit, auf den Deckeln Rauhreif vorzufinden, den Permafrost der
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