1992 - Aufmarsch über Thorrim
telepathischen Ruf von ihr."
„Das wäre eine Möglichkeit„, stimmte Navajo ihr zu. „Wenn du dir das wirklich zutraust. Diese erste Kontaktaufnahme war nicht ganz ungefährlich für dich."
„Diesmal werde ich vorbereitet sein", meinte Tess.
Stendal nickte. „Also gut. Auf funktechnischem Wege haben wir bei Nisaaru bisher nichts erreicht. Sie reagiert nicht, vielleicht empfängt sie uns nicht einmal. Was wissen wir denn schon von ihr? Sie entzieht sich allen herkömmlichen Mess- und Ortungsversuchen. Tess sollte ihre Chance erhalten."
Gia de Moleon neigte den Kopf und sah die junge Telepathin mit den fingerlangen schwarzen Haaren und den dunkelbraunen Augen nachdenklich an. „Ihr wisst, warum ich bisher davon abgesehen habe", sagte sie. „Tess müsste in die unmittelbare Nähe von Nisaaru gebracht werden, um den Kontakt herzustellen. Bei der jetzigen Entfernung erscheint mir das unwahrscheinlich, und wir wissen nicht, wie Nisaaru reagiert."
„Sie und auch Wechselbalg sind uns freundlich gesinnt", sagte Benjameen von Jacinta. Der silberhaarige Arkonide faltete die Hände auf dem von Holo-Kuben und Bedienungselementen übersäten Tisch. Über seiner Mitte schwebte ein Hologramm, das jetzt den „Knoten" der Nisaaru 2ieigte. „Davon bin ich fest überzeugt. Es kommt auf einen Versuch an. Ich bin bereit, Tess bei dieser Mission zu begleiten."
„Ich stimme dafür", sagte der Bürgermeister. „Schön." Die ehemalige TLD-Chefin lächelte kurz. „Also gut, auf eure Verantwortung. Ihr könnt mit einer unserer Space-Jets fliegen, aber zwei Robinson-Plattformen werden euch begleiten. Beim ersten Anzeichen von ..."Tess hatte sich erhoben und winkte heftig ab. „Entweder Benjameen und ich fliegen allein, oder wir lassen es bleiben. Überlege dir, was besser für Alashan ist, Gia ..."
Früh am anderen Tag machten sich die beiden Mutanten gerade bereit für den Flug zu Nisaaru. Da ertönte der Türsummer von Benjameens Wohnung, in der die beiden jungen Menschen die Nacht verbracht hatten. Tess ging und öffnete. Zu ihrer großen Überraschung stand niemand anders vor ihr als Mondra Diamond, die in der Öffentlichkeit so gut wie nie mehr gesehen wurde. Zum letzten Mal war sie in Erscheinung getreten, als die Bewohner Alashans Wechselbalg angreifen wollten. „Darf ich hereinkommen?" fragte die Hochschwangere. Tess nickte und erwiderte ihr scheues Lächeln. Mondra trat ein und ließ sich ins ziemlich unaufgeräumt aussehende Wohnzimmer führen, wo Tess einen Platz für sie frei räumte. Entschuldigend sagte die Telepathin: „Verzeih, aber so sieht es nicht immer bei uns aus. Wir sind nur ..." Mondra, die ehemalige Zirkusartistin, winkte ab und setzte sich. Die samthäutige Schönheit mit den dunklen Haaren und den bestechend grünen Augen war insgesamt fülliger geworden. Wenn Tess richtig rechnete, musste sie jetzt im siebten Monat sein.
Tess setzte sich im Schneidersitz auf den Boden vor ihr. Benjameen kam aus dem Schlafraum und begrüßte den seltenen Gast ebenfalls herzlich. Er ließ sich neben Tess nieder, so dass sie zu Mondra leicht aufschauen mussten. „Ich bin gekommen, um euch zu warnen", begann sie. „Ihr wisst, dass ich einen kleinen Ratgeber habe." Dabei fuhr sie sich zärtlich mit der rechten Hand über den angeschwollenen Bauch. „Von diesem Ratgeber weiß ich, dass es nicht das Superbeben ist, das Alashan gefährdet, sondern sehr viel höherschichtige, bedrohlichere Vorgänge."
„Könntest du etwas deutlicher werden, Mondra?" fragte Benjameen. „Leider nein. Ich weiß nur das, was ich sagte. Aber wenn es stimmt, dass zwei Superintelligenzen im Thorrtimer-System angekommen sind und dieser Wechselbalg weitere Helfer erwartet, dürfte es damit zusammenhängen."
„Da magst du recht haben", meinte Tess. „Eine weitere Frage, die ich Nisaaru stellen könnte ..." Mondra blickte sie fragend an, und die Telepathin erzählte ihr von ihrem Plan. „Deshalb das Chaos hier", sagte sie. „Wir waren mitten im Aufbruch." Mondra erhob sich. „Warum habt ihr das nicht gleich gesagt? Dann will ich nicht weiter stören."
„Du störst uns überhaupt nicht", sagte Benjameen schnell. „Auf eine Stunde kommt es nicht an. Aber wieso bist du mit deiner Warnung ausgerechnet zu uns gekommen?"
„Weil ich Vertrauen zu euch habe, was ich von Gia de Moleon nicht behaupten kann. Und bei Stendal Navajo weiß man nie, ob er sich gegen sie durchsetzen kann." Mondra Diamond setzte sich wieder und atmete tief ein.
Weitere Kostenlose Bücher