1993 - Vorstoß in den Kessel
und rief das holographische I/O-Tableau auf, ließ sich die Umweltdaten anzeigen.' Von einer realen Temperatursteigerung war nichts zu bemerken. Die Messfühler lieferten weder bei der Luft noch bei festen Materialien von den Nominalwerten abweichende Daten. Und doch: Es wurde immer heißer, drückender ...
10.
Alaska Saedelaere: Alpträume
Erster Tag: In den Randzonen des Kessels erwies sich das Vordringen noch als leicht. Das Zusammenschalten der 18 Virtuellen Schiffe hatte keine Probleme bereitet, ihr gemeinsames Kraftfeld widerstand den anstürmenden Wogen und Wellen. Im Zickzack folgte die Kurslinie den Höhenlinien des Schichtvulkans; das Hochspringen zu den nächsten Stufen glich dem von Lachsen, wenn sie Stromschnellen und Wasserfälle auf dem Weg zu ihrem Laichplatz überwanden.
Das Zusammenspiel zwischen Alaska als Hauptkoordinator, den Darstellungen Harnos und den Zusatzberechnungen Blo Rakanes war präzise. Jede Etappe musste mit geringerer Geschwindigkeit absolviert werden - die Kräfte glichen einer starken „Gegenströmung", die keine höheren ÜL-Faktoren zuließ -, aber im Verlauf der ersten vierundzwanzig Stunden hatte der absonderliche Konvoi dennoch eine Eindringtiefe von annähernd achthundert Lichtjahren erreicht. Die meiste Zeit erlebte der ehemalige Maskenträger in Trance: Das Schmirgeln, wenn er mit der KYTOMA verschmolz, steigerte sich zwar, blieb aber erträglich, und der technischparanormale Gesamtverbund von Piloten, Helfern und den Bordrechnern und ihren Projektionen handelte als Kollektiv, in dem die Einzelidentitäten versanken.
Nur in den Ruhephasen fand Alaska zu sich selbst zurück. Er versuchte sich dann zu entspannen, neue Kräfte zu schöpfen. Denn er wusste genau, dass die eigentlichen Schwierigkeiten erst mit dem letzten Drittel des zurückzulegenden Weges anstanden. In seinem Inneren rumorte es stärker.
Schon in der ersten Nacht kam das, was ihn unbewusst beschäftigte, zum Aufbruch. Es war der Beginn sich steigernder Alpträume, geboren aus den Erinnerungen von Jahrhunderten der Einsamkeit...
... jemand pfiff eine klagende Melodie. Sie war schön, doch in ihr schwang tief empfundenes Leid mit. Sie betraten den freien Platz der Stadt Tapura; seine Kristallplatten erinnerten an einen im Sonnenlicht glitzernden See. In seiner Mitte erhob sich die Säule. Sie bestand aus in einander verschlungenen Körpern, wirkte, als habe ein Künstler sie aus einem Stück heraus gemeißelt. Die Körper schienen sich zu bewegen. Dann sahen sie das Mädchen; ihr Pfeifen brach ab. Mager wirkte sie, die dunklen Haare schimmerten in der Sonne, das Gesicht war blass, zeigte einen irgendwie hungrigen Ausdruck.
Kytoma! Sie sagte verträumt: „Eines Tages wird Tapura von dem Schrecklichen befreit sein. Dann werden Menschen zu der Säule kommen und Kraft aus ihr schöpfen." Sie hatten gedacht, dass Ribald Corellos Kraft die Ausstrahlung der Stadt bestimmte. Eine Täuschung. Denn nicht Corello, sondern die Säule verlieh ihr dieses ungewöhnliche Fluidum. Fast wirkte sie als eine Art Wächter, ein Verteidiger, der das Gefühl von Gefahr und Unbehagen suggerierte. Plötzlich brach die Wolkendecke auf. Sonnenstrahlen trafen die Säule, ließen die grotesken Figuren tanzen. Alaska starrte auf den Kristallboden und erkannte, dass die Sonne durch die Säule schien. Die Säule warf keinen Schatten ... ... und er schwebte in einem milchfarbenen Raum des Unwirklichen, durch den wallende rote Nebel trieben. Vereinzelt glaubte er in einer nicht abzuschätzenden Entfernung ein riesenhaftes quallenähnliches Gebilde zu erkennen. Dann wieder tat sich vor ihm ein unermesslicher Abgrund auf, über den sein schockiertes Bewusstsein hinwegwirbelte.
Er besaß keinen Körper, die Tiefe des Abgrunds war nicht auszuloten, nur langsam kam die Erinnerung zurück, und Alaska glaubte den kleinen Mann mit dem traurigfreundlichen Gesicht vor sich zu sehen. Der Cyno Schmitt! Dieser warf plötzlich den Anzug der Vernichtung neben Alaska auf den Boden. „Er gehört Ihnen!"
„Was soll ich damit? Er passt mir nicht. Außerdem weiß ich nicht, was ich damit anfangen soll."
„Der Anzug passt jedem", antwortete der Cyno. „Sie werden ihn eines Tages tragen. Dann werden Sie auch wissen, wozu er gut ist."
„Das hört sich alles sehr nach Abschied an."
„Es ist ein Abschied!"
„Abschied wovon?"
„Sie haben mir nicht misstraut", sagte Schmitt alias Imago I.
„Zumindest haben Sie versucht, meine
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