1995 - Der Tod auf Terra
hantierten mit schweren Desintegratoren, wie sie vor allem im Bergbau Verwendung fanden. „Zweieinhalb Meter noch dann sind wir durch", erklärte die Agentin. Unvermittelt hob sie den Blick, schaute mich direkt an und lächelte. Sie war gut, hatte tatsächlich bemerkt, dass ich die Technik meines Anzugs ausreizte. „Unter besseren Umständen würde ich dich fragen, ob dir meine Augen gefallen." Ihr Tonfall klang leicht amüsiert. „Einem anderen als dem Sechsten Boten von Thoregon hätte ich das allerdings nicht erlaubt." Ohne Umschweife fuhr sie fort: „Unter uns befinden sich größere Hohlräume, die zu einem Verkehrsknotenpunkt gehörten. Bisher konnten wir nur zwei Minisonden durchschicken, aber es sieht so aus, als hätten wir endlich zusammenhängende Räumlichkeiten entdeckt. - Auf Überlebende sind wir in diesem Bereich noch nicht gestoßen. Unter uns dürfte es ohnehin nur jemand geschafft haben, der zufällig einen Schutzanzug trug; die Temperaturen liegen bei 250 Grad Celsius."
Die Roboter meldeten den Durchbruch. Margret Zhamant schwang sich als erste in die Tiefe. Ich folgte ihr, und nach mir kamen weitere TLD-Leute.
Der ehemalige Antigravschacht führte über fünfzig Meter in die Tiefe, fast auf die gesamte Länge war er eingedrückt worden. Berge von Schutt erwarteten uns und auch hier der feine Staub zerfallener Materialien. Stahlträger, Verkleidungsplatten, geborstene Versorgungsleitungen. Dazwischen immer noch rotglühende Adern, die den Verlauf von Energiesträngen nachzeichneten. An die Toten unter den Trümmern heranzukommen würde sehr große Anstrengungen kosten.
Eine halb geschmolzene Hinweistafel ließ erkennen, dass der Schacht noch weitere drei Stockwerke in die Tiefe reichte, nur war er hier endgültig blockiert. Lediglich zwei halb verschüttete Tunnelröhren erwiesen sich als gangbar. Die TLD-Agentin überließ mir die Richtungsentscheidung. Sie hatte erwartet, dass ich den Weg zu den Sitzungssälen der Regierung wählen würde. Wir schafften knapp einen Kilometer in weniger als fünfzehn Minuten, dann blockierten ausgebrannte Schwebegondeln die Röhre. Sie hatten sich ineinander verkeilt und waren durch die Hitze förmlich zusammengeschweißt worden. Einigen Passagieren war zwar die Flucht aus den Gondeln gelungen, aber nicht vor den Flammen.
Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach, während wir uns mühsam einen Weg bahnten und immer wieder versuchten, Funkkontakt zu möglicherweise Eingeschlossenen zu bekommen. Es war sinnlos. Ebenso wie darauf zu hoffen, dass irgendwo ein TraI1:smitter funktionsfähig geblieben sein könnte.
Wir erreichten die nächste Station und stießen auf eine Frau, die noch schwache Lebenszeichen von sich gab. Sie hatte sehr viel Blut verloren und ihr Puls war kaum nachweisbar, aber sie reagierte auf die Injektion eines stabilisierenden Medikaments.
Die uns folgenden Roboter begannen, die Toten abzutransportieren. Eineinhalb bis zwei Kilometer hatten wir bereits überwunden, als Margret Zhamant zurückbeordert wurde. Männer ihres Trupps hatten weiter südlich Lebenszeichen aus größerer Tiefe aufgespürt. Ich entschied mich, die eingeschlagene Richtung beizubehalten. Ich wollte letzte Klarheit über das Schicksal der Regierungsmitglieder.
*
Die Tunnelröhre war endgültig verschüttet; um hier weiterzukommen, hätte ich schweres Räumgerät benötigt, das zwar über kurz oder lang zur Verfügung stehen würde, aber ich konnte nicht warten. Ramihyns Kapitulationsforderung war überall im Sonnensystem empfangen und aufgezeichnet worden - mich interessierten jedoch Details, die nur einer so gewaltigen und umfassenden Maschinerie wie der höchsten LFT-Spitze zur Verfügung standen. Zigtausende Hinweise mussten schon in der ersten Stunde im HQ-Hanse zusammengelaufen und ausgewertet worden sein.
Ein Versorgungsschacht war der einzige noch leidlich passierbare Weg, obwohl Wasser aus Decke und Wänden sickerte und sich kniehoch staute.
Inzwischen hatte ich den Funkkontakt zu Margret Zhamant verloren. Störfelder geisterten durch den Schutt, ich konnte sie anmessen, aber in keinem Fall ihren Ursprung lokalisieren.
Die Zeit lief mir davon. Wieso bildete ich mir ein, irgendetwas gegen WAVE zu unternehmen, solange ich durch den Untergrund des HQ-Hanse kroch? Selbst in großer Tiefe war nichts heil geblieben. Die beim Angriff freigesetzten Energien hatten Transmitter und Funkstationen ebenso wie andere technische Einrichtungen durch
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