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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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zögernd und mit viel Bedacht, doch dann sprach er immer flüssiger und zum Schluss sogar mit einigem Eifer. Selbst sexuelle Dinge sprach er offen aus. Mittlerweile war es unangebracht, sich zu genieren, fand er. Sein Vater lag, noch immer in der gleichen Haltung, das Gesicht nach oben gewandt, in tiefem Schlaf. Auch seine Atmung hatte sich nicht verändert.
    Gegen drei Uhr erschien eine stämmige, etwa dreißigjährige Schwester, um den Infusionsbeutel zu wechseln, den Urinbehälter gegen einen neuen auszutauschen und seine Temperatur zu messen. Sie trug ihr Haar straff nach hinten gebunden, und ein Kugelschreiber steckte darin. »Omura« stand auf ihrem Namensschild.
    »Ist irgendetwas Ungewöhnliches passiert?«, fragte sie Tengo, während sie mit ihrem Kugelschreiber auf einem Klemmbrett die Werte notierte.
    »Nein. Er hat die ganze Zeit geschlafen«, sagte Tengo.
    »Wenn etwas ist, drücken Sie bitte den Knopf dort.« Die Schwester zeigte auf einen Schalter am Kopfende und steckte sich den Kugelschreiber wieder ins Haar.
    »Mache ich.«
    Kurz nachdem sie hinausgegangen war, klopfte es leise, und die bebrillte Schwester Tamura schob den Kopf ins Zimmer.
    »Möchten Sie vielleicht etwas essen? In der Cafeteria bekommen Sie etwas.«
    »Vielen Dank, aber ich habe noch keinen Hunger«, sagte Tengo.
    »Wie geht es Ihrem Vater?«
    Tengo zuckte die Achseln. »Ich habe die ganze Zeit mit ihm gesprochen. Aber ich weiß nicht, ob er mich hören kann oder nicht.«
    »Ansprache ist eine gute Sache«, sagte sie und lächelte ermutigend. »Keine Sorge, Ihr Vater hört Sie bestimmt.«
    Sie schloss leise die Tür. Tengo und sein Vater waren wieder allein in dem kleinen Krankenzimmer.
    Tengo erzählte weiter.
    Er machte also das Examen und begann an einer Yobiko in der Stadt Mathematik zu unterrichten. Nun war er kein kleines hoffnungsvolles Mathematikgenie und kein vielversprechender Judo-Kämpfer mehr. Nur noch Lehrer und nicht einmal fest angestellt. Aber Tengo war glücklich. Endlich konnte er frei atmen. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er seinen Alltag gestalten, wie es ihm beliebte, ohne sich jemandem verpflichtet zu fühlen.
    Kurze Zeit später fing er an zu schreiben. Er verfasste mehrere Werke und reichte sie bei Verlagen ein, die Debütpreise ausgeschrieben hatten. Dabei hatte er den etwas eigenwilligen Redakteur Komatsu kennengelernt und kürzlich in dessen Auftrag Die Puppe aus Luft überarbeitet, einen Roman, den ein siebzehnjähriges Mädchens namens Fukaeri (Eriko Fukada) verfasst hatte. Fukaeri hatte sich die Geschichte ausgedacht, aber da sie nicht die Fähigkeit besaß, einen zusammenhängenden Text zu schreiben, hatte Tengo dies für sie übernommen. Diese Aufgabe war ihm gut gelungen. Das Mädchen hatte den Preis für das beste Erstlingswerk einer Literaturzeitschrift bekommen, die Geschichte war als Buch erschienen und ein großer Bestseller geworden. Wegen ihrer allzu großen Popularität war Die Puppe aus Luft von der Jury für den Akutagawa-Preis verworfen worden. Aber wie Komatsu, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, sagte, verkaufte das Buch sich »auch ohne diesen Quatsch«.
    Tengo bezweifelte, dass sein Vater überhaupt hörte, was er ihm erzählte. Außerdem wusste er nicht, ob sein Vater solche Dinge inhaltlich verstehen konnte. Jedenfalls reagierte er nicht. Und selbst wenn er es verstand, hatte er vielleicht gar kein Interesse an so etwas. Vielleicht fühlte er sich nur belästigt. Das Leben von anderen ist mir schnurz, lass mich in Ruhe schlafen, dachte er womöglich. Dennoch erzählte Tengo einfach weiter, was ihm in den Kopf kam. Was hätte er auch sonst in dem kleinen Zimmer tun sollen?
    Sein Vater rührte sich die ganze Zeit über nicht. Seine tief eingesunkenen Augen blieben fest geschlossen. Es sah aus, als warteten die Höhlen darauf, dass Schnee fallen und sie mit seiner Weiße auffüllen würde.
    »Im Augenblick klappt das noch nicht, aber eines Tages möchte ich, wenn es geht, vom Schreiben leben. Nicht, indem ich die Werke von anderen bearbeite, sondern indem ich aufschreibe, was ich selbst zu sagen habe. Das Schreiben, insbesondere von Romanen, entspricht, glaube ich, meiner Persönlichkeit. Es ist gut, ein Ziel zu haben. Endlich hat sich so etwas bei mir entwickelt. Bisher ist noch nichts, was ich geschrieben habe, unter meinem Namen gedruckt worden, aber das wird sicher bald der Fall sein. Vielleicht klingt es ein wenig nach Eigenlob, aber ich finde, meine Fähigkeiten als

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