1Q84: Buch 3
nötigenfalls werden wir nicht zögern. Sie wollten Sie das am eigenen Leib spüren lassen. Sollten Sie Ihr Versprechen brechen, wird das sehr unangenehme Folgen haben. Das verstehen Sie doch?«
»Ich verstehe es«, sagte Komatsu.
»Unter uns gesagt: Sie haben großes Glück, Herr Komatsu. Vielleicht können Sie es wegen des dichten Nebels nicht sehen, aber Sie stehen nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt. Das sollten Sie sich sehr gut merken. Im Augenblick haben sie keine Zeit, sich um euch zu kümmern. Sie haben wichtigere Probleme. Auch in dieser Hinsicht haben Sie Glück. Und solange dieses Glück anhält –«
Bei diesen Worten drehte er die Handflächen nach oben, wie um zu prüfen, ob es regnete. Komatsu wartete auf die Worte, die nun folgen würden. Aber es kam nichts. Die Züge des Kahlen wirkten plötzlich erschöpft. Er erhob sich langsam von dem Metallstuhl, klappte ihn zusammen, klemmte ihn unter den Arm und verließ das quadratische Zimmer, ohne sich noch einmal umzuwenden. Die schwere Tür wurde geschlossen und der Schlüssel rasselnd umgedreht. Komatsu blieb allein zurück.
»Danach war ich noch vier Tage lang in diesem Würfelzimmer eingesperrt. Die vertraulichen Gespräche waren beendet, das Abkommen war in beiderseitigem Einvernehmen geschlossen. Warum sie mich dennoch weiter festhielten, kann ich nur vermuten. Jedenfalls ließen die beiden sich nicht mehr blicken, der junge Helfer sagte weiterhin kein Wort, und das Essen wurde auch nicht besser. Ich rasierte mich mit dem elektrischen Rasierapparat und verbrachte die übrige Zeit damit, die Wände und die Decke anzustarren. Wenn das Licht ausging, schlief ich, wenn es anging, wachte ich auf. Dann grübelte ich über alles nach, was der Kahlkopf gesagt hatte. Mir wurde klar, dass wir wirklich Glück gehabt hatten. Er hatte ganz recht. Diese Typen können alles machen, wonach ihnen der Sinn steht. Sie können so grausam sein, wie sie wollen. In diesen vier Tagen Zusatzhaft habe ich das kapiert, was sie damit sicher auch bezweckten. Sehr raffiniert.«
Komatsu griff nach seinem Highball und trank.
»Dann bekam ich noch einmal dieses Chloroformzeugs, und als ich aufwachte, wurde es gerade Tag. Sie hatten mich auf einer Bank im Jingu Gaien abgelegt. In der zweiten Septemberhälfte ist es so früh morgens schon recht kühl. So habe ich mich dann wirklich erkältet und lag drei Tage mit Fieber im Bett. Aber damit bin ich eigentlich noch ganz gut weggekommen, oder?«
Hier endete Komatsus Geschichte.
»Haben Sie Professor Ebisuno davon erzählt?«, fragte Tengo.
»Ja, einige Tage nach meiner Freilassung, als das Fieber nachließ, bin ich zu ihm auf den Berg gefahren und habe ihm das Gleiche erzählt wie dir eben.«
»Was hat er gesagt?«
Komatsu trank den letzten Schluck seines Highball aus und bestellte noch einen. Er bot auch Tengo einen zweiten an, der jedoch ablehnte.
»Er hat mich die Geschichte mehrmals wiederholen lassen und alle möglichen detaillierten Fragen gestellt, die ich beantwortet habe, so gut ich konnte. Wenn es verlangt wird, kann ich die gleiche Geschichte immer wieder erzählen. Vor allem, da ich nach dem Gespräch mit dem Kahlkopf vier Tage lang allein in diesem Zimmer eingesperrt war. Ich hatte niemanden zum Reden und Zeit im Überfluss. Also habe ich jedes Wort von diesem Glatzkopf hundert Mal im Geiste gewälzt. Deshalb kann ich mich an jede Kleinigkeit erinnern. Ich bin wie ein menschliches Tonbandgerät.«
»Aber im Grunde war es doch eine reine Behauptung, dass Fukaeris Eltern beide gestorben sind, oder?«, fragte Tengo.
»Genau. Inwieweit es den Tatsachen entspricht, können wir nicht nachprüfen. Sie haben die Todesfälle nicht gemeldet. Aber so, wie der Kahlkopf geredet hat, vermute ich, dass es kein Blödsinn war. Dass ihnen das menschliche Leben heilig ist und so weiter, das nehme ich ihm ab. Als ich zu Ende erzählt hatte, verfiel Professor Ebisuno jedenfalls in ein langes, nachdenkliches Schweigen. Irgendwann hat er, ohne ein Wort zu sagen, das Zimmer verlassen und ist eine Zeitlang fortgeblieben. Er musste sich wohl notgedrungen mit dem Tod der beiden abfinden. Obwohl er es im Grunde seines Herzens sicher schon geahnt hatte und darauf vorbereitet war, dass seine beiden besten Freunde nicht mehr auf der Welt sind. Dennoch ist es nicht ungewöhnlich, dass ihm die Gewissheit großen Schmerz bereitete.«
Tengo dachte an das leere, schmucklose Empfangszimmer, an die tiefe, kalte Stille und an den
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