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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wichtiger Code eingeritzt, den er entschlüsseln musste. Welche war die echte Fukaeri, welche die Kopie? Hatte er womöglich Original und Kopie verwechselt? Oder konnte Fukaeri je nach Bedarf ihr Original oder ihre Kopie einsetzen?
    »Natürlich gibt es noch so einiges, das wir nicht wissen«, sagte Komatsu. Er breitete dabei die Hände aus, legte sie auf den Tisch und betrachtete sie. Für einen Mann in mittleren Jahren waren seine Finger sehr lang und schlank. »Die Stimmen sind verstummt, der Brunnen ist versiegt, der Prophet ist tot. Was wird jetzt aus seiner Tochter? Nicht, dass die eine Art Witwenverbrennung wie im alten Indien veranstalten.«
    »Wenn der Receiver nicht mehr existiert, ist auch die Aufgabe der Perceiver beendet.«
    »Wenn man deine Hypothese weiterverfolgte«, sagte Komatsu, »dann wäre das wohl so. Ob Fukaeri, als sie Die Puppe aus Luft geschrieben hat, wusste, zu welchem Ende das führen würde? Der Kahlkopf hat mir gesagt, dass die Sache sicher nicht so geplant gewesen sei. Zumindest nicht von Fukaeri. Aber woher will er das wissen?«
    »Natürlich kennen wir die Wahrheit nicht«, sagte Tengo. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Fukaeri – aus welchem Grund auch immer – vorsätzlich auf den Tod ihres Vaters hingearbeitet hat. Bestimmt ist ihr Vater aus irgendeinem Grund gestorben, der gar nichts mit ihr zu tun hat. Meinen Sie nicht? Was sie getan hat, könnte sogar eine Art Gegenmaßnahme gewesen sein. Vielleicht wollte ihr Vater sich auch von den Stimmen befreien. Aber das sind letzten Endes nicht mehr als haltlose Spekulationen.«
    Komatsu zog die Nase kraus und überlegte lange. Dann seufzte er und schaute sich im Lokal um. »Eine verdammt seltsame Welt. Mit jedem Tag fällt es mir schwerer zu erkennen, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion verläuft. Wo hört das eine auf, wo fängt das andere an? Wie würdest du als Schriftsteller Realität definieren, mein Junge?«
    »Wenn man mit einer Nadel zusticht, und rotes Blut fließt heraus, dann befindet man sich in der Realität«, antwortete Tengo.
    »Ja, dann muss das hier die reale Welt sein«, sagte Komatsu und rieb sich die Innenseite seiner Unterarme. Die Venen traten blau hervor. Die Blutgefäße, all die Jahre mit Alkohol, Zigaretten, einer unregelmäßigen Lebensweise und zahllosen literarischen Intrigen malträtiert, sahen nicht gerade gesund aus. Komatsu trank den Rest seines Highball in einem Zug aus und ließ die übriggebliebenen Eiswürfel klirren.
    »Also weiter im Text. Lass hören, was du sonst noch so vermutest. Allmählich wird es interessant.«
    »Sie suchen einen Nachfolger für ›ihn, der die Stimmen hört‹. Aber das ist nicht alles, gleichzeitig brauchen sie eine neue, voll funktionsfähige Daughter. Weil ein neuer Receiver eine neue Perceiver erfordert.«
    »Das heißt, sie müssten auch eine neue Mother finden. Und wieder eine Puppe aus Luft zusammenbasteln. Das dürfte keine leichte Aufgabe sein.«
    »Gerade deshalb ist es Ihnen auch so ernst.«
    »Richtig.«
    »Aber ich glaube nicht, dass sie aufs Geratewohl vorgehen«, sagte Tengo. »Bestimmt haben sie irgendeinen in petto.«
    Komatsu nickte. »Den Eindruck hatte ich auch. Deshalb wollten sie uns so schnell wie möglich aus dem Weg haben. Wir haben sie gestört. Offenbar waren wir ein echtes Hindernis für sie, ihnen ein Dorn im Auge.«
    »Aber wobei haben wir sie behindert?«
    Komatsu zuckte die Achseln. Das wusste er auch nicht.
    »Welche Botschaften haben ihnen die Stimmen wohl bisher verkündet? Und was haben die Little People mit den Stimmen zu tun?«, fragte Tengo.
    Wieder zuckte Komatsu kraftlos mit den Schultern. Das war etwas, das ihrer beider Vorstellungskraft überstieg.
    »Hast du mal den Film 2001 gesehen?«
    »Ja«, sagte Tengo.
    »Wir sind wie die Affen, die darin vorkommen«, sagte Komatsu. »Du weißt schon, die mit dem schwarzen Fell, die kreischend den Monolithen umtanzen.«
    Zwei Personen betraten das Lokal, setzten sich wie alte Stammgäste an die Theke und bestellten Cocktails.
    »Eins ist jedenfalls sicher«, sagte Komatsu, wie um das Gespräch abzuschließen. »Deine Vermutungen sind überzeugend. Es hat alles Hand und Fuß. Und so ein Gespräch unter Freunden ist wirklich immer etwas Schönes. Aber fest steht, dass wir uns aus diesem grässlichen Minenfeld verkrümeln müssen. Und dass wir uns künftig auch von Fukaeri und Professor Ebisuno fernhalten müssen. Die Puppe aus Luft ist ein harmloser Fantasy-Roman, der

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