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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Anfang an kein Zutrauen zu dem Projekt. Ich habe ihn quasi mit Gewalt in die Sache hineingezogen. Seine Aufgabe ist ja auch längst beendet. Eriko Fukada macht uns sicher ebenfalls keine Schwierigkeiten. Sie sagt, sie habe nicht die Absicht, einen weiteren Roman zu schreiben. Ob Professor Ebisuno so einfach aussteigt, kann ich allerdings nicht voraussagen. Ihm ging es letzten Endes darum zu erfahren, ob sein Freund Tamotsu Fukada unversehrt und am Leben ist. Er will wissen, wo Fukada sich aufhält und was aus ihm geworden ist. Solange er das nicht weiß, wird er meiner Ansicht nach nicht aufgeben.«
    »Herr Tamotsu Fukada ist verstorben«, sagte der Kahle. Seine Stimme klang monoton und ruhig; dennoch lag eine große Schwere darin.
    »Verstorben?«, sagte Komatsu.
    »Erst vor kurzem«, sagte der Kahle. Er holte tief Luft und atmete langsam aus. »Die Todesursache war plötzliches Herzversagen, er war sofort tot und hat nicht gelitten. Den Umständen entsprechend haben wir die Feierlichkeiten in aller Stille innerhalb unserer Gemeinschaft abgehalten, ohne etwas von seinem Ableben verlautbaren zu lassen. Wie es in unserer Gemeinschaft üblich ist, wurde sein Leichnam eingeäschert. Die Knochen wurden zermahlen und in den Bergen verstreut. Juristisch gilt so etwas als illegale Bestattung, aber es ist schwierig, offiziell Anklage dagegen zu erheben. Jedenfalls ist das die Wahrheit. Wir lügen nicht, wenn es um den Tod eines Menschen geht. Bitte richten Sie das Herrn Ebisuno aus.«
    »Es war also ein natürlicher Tod?«
    Der Kahle nickte nachdrücklich. »Herr Fukada war von unendlich großer Bedeutung für uns. Oder nein, mit einem gewöhnlichen Wort wie ›Bedeutung‹ lässt sich das gar nicht ausdrücken. Er war ein großer Mann, in jedem Sinne des Wortes. Sein Tod wurde bisher nur einer begrenzten Anzahl von Menschen bekanntgegeben, aber er erfüllt uns mit tiefster Trauer. Seine Ehefrau, Eriko Fukadas Mutter, ist bereits vor einigen Jahren an Magenkrebs gestorben. Sie lehnte eine Chemotherapie ab und verschied im Hospital unserer Gemeinschaft. Ihr Mann Tamotsu hat sie bis zum Schluss gepflegt.«
    »Und auch ihr Tod wurde nicht gemeldet«, sagte Komatsu.
    Der Kahle stritt dies nicht ab.
    »Und Tamotsu Fukada ist also in jüngster Zeit verstorben.«
    »So ist es«, sagte der Kahle.
    »Ist das nach dem Erscheinen von Die Puppe aus Luft geschehen?«
    Der Kahle senkte kurz den Blick auf die Tischplatte und sah dann wieder Komatsu an.
    »Ja. Herr Fukada ist nach der Veröffentlichung von Die Puppe aus Luft verstorben.«
    »Besteht zwischen diesen beiden Ereignissen vielleicht ein Zusammenhang?«, fragte Komatsu beherzt.
    Der Kahle schwieg eine Weile. Dann schien er sich für eine Antwort entschieden zu haben. »Also gut. Vielleicht ist es am besten, mit offenen Karten zu spielen, damit Sie auch Ebisuno überzeugen können. Um die Wahrheit zu sagen, war Tamotsu Fukada der Leader, ›er, der die Stimmen hört‹. Nachdem seine Tochter Eriko Die Puppe aus Luft veröffentlicht hatte, hörten die Stimmen auf, zu ihm zu sprechen. Daraufhin hat Tamotsu Fukada seine Existenz verlöschen lassen. Es war ein natürlicher Tod. Oder besser ausgedrückt, er hat sein Dasein auf natürliche Weise beendet.«
    »Eriko Fukada ist die Tochter des Leaders«, murmelte Komatsu.
    Der Kahle nickte kurz.
    »Und hat letzten Endes den Tod ihres Vaters ausgelöst«, fügte Komatsu hinzu.
    Der Kahle nickte wieder. »So ist es.«
    »Aber Ihre Gemeinschaft besteht weiter.«
    »Ja, sie besteht fort«, antwortete der Kahle. Die Augen, mit denen er Komatsu jetzt ansah, glichen urzeitlichen, in einem Gletscher eingeschlossenen Kieseln. »Herr Komatsu, die Veröffentlichung von Die Puppe aus Luft hat erhebliches Unheil über unsere Gemeinschaft gebracht, aber ich glaube nicht, dass sie euch dafür bestrafen wollen. Denn das würde jetzt auch nichts mehr nützen. Sie haben eine Mission zu erfüllen, und dazu brauchen sie Ruhe und Isolation.«
    »Und deshalb wollen Sie, dass alle sich zurückziehen und vergessen, was geschehen ist.«
    »Vereinfacht gesagt, ja.«
    »Und um mir das mitzuteilen, mussten Sie mich entführen?«
    Zum ersten Mal zeichnete sich auf dem Gesicht des Kahlen so etwas wie ein leichtes Mienenspiel ab; es schien zwischen Belustigung und Mitgefühl zu schwanken. »Dass wir Sie so lange als Gast beherbergen mussten, geschah, weil sie Ihnen die Ernsthaftigkeit Ihrer Lage klarmachen wollen. Uns ist nicht an extremen Maßnahmen gelegen, aber

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