2 ½ Punkte Hoffnung
einem Jahr vergessen haben? In zehn Jahren?
Langsam stand ich auf, ging zum Papierkorb, griff hinein und zog das Buch wieder heraus. Darunter lag der gelbe Stern, den ich bei meinem Anne-Frank-Vortrag getragen hatte. Ich betrachtete beides einen Moment lang, dann holte ich einen Klebestift, bestrich damit die Rückseite des Sterns und klebte ihn sorgfältig über den schwarzen Labradorwelpen auf dem Deckel. Ich ließ meine Finger über den Stern wandern, betastete jeden Strich und jeden Punkt. Ich würde es nicht vergessen. Ich würde kein Glied in der Kette sein.
KAPITEL 29
Hoffnung retten
Am Sonntagmorgen klingelte das Telefon nicht. Niemand kam zur Tür. Mom ging mit Lydia zu einem Sektfrühstück. Tyler war bei einem Baseballturnier. Ich sah die Tasche zehnmal durch, legte mehr Socken, einen Fettstift und eine Sonnenbrille hinein. Ich wanderte durchs Haus, starrte aus dem Fenster, setzte mich auf die Couch, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und betrachtete den O-Saft.
Das Telefon klingelte. Ich schloss die Kühlschranktür und hob ab. »Hallo.«
»Mrs. Elliot?«
»Nein, hier ist Hope.«
»Ach, Hope, hallo, hier ist Gabriela Feliciano. Ich gehe auf die Eola High und …« Mehr hörte ich nicht, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, mir klarzumachen, dass da wirklich Gabriela Feliciano, beste Spielerin der Schule und Teammitglied der staatlichen Mannschaft, am anderen Ende der Leitung war. Und sie hatte sich nicht verwählt. Sie hatte nach Mom gefragt. Aber warum?
»Das ist mein drittes Jahr als Betreuerin, deshalb hoffe ich, dass ich deine Mutter übereden kann.«
»Wie bitte?«
»Deine Mutter überreden, dass sie dich ins Sommerlager fahren lässt«, wiederholte Gabriela. »Ich werde deine Betreuerin sein.«
NIE IM LEBEN!
»Aber wir erfahren das doch erst unmittelbar bevor wir fahren.«
»Wir Betreuer wissen es schon vorher, damit wir die Holzkekse vorbereiten können.«
Ich hatte das mit unseren Namensschildern vergessen. Es war ein Wettbewerb unter den Betreuern, die Holzscheiben mit heller Farbe, winzigen Perlen und funkelnden Pailletten zu verzieren, um sie dann auf einen Lederriemen zu ziehen. Die richtig coolen Leute aus der sechsten Klasse trugen das Zeichen nach dem Camp noch ein oder zwei Wochen in der Schule.
»Ich bastele einen für dich, Hope, auch wenn du nicht mitkommen darfst.«
»Ich komme mit.«
»Hat deine Mom sich die Sache anders überlegt?«
»Woher weißt du das mit meiner Mom?«
»Ach, als Betreuerin muss ich eine Menge über die Leute im Lager wissen.« Gabriela Feliciano. Meine Betreuerin. Sie war nicht nur umwerfend und berühmt, sie war auch noch supernett und freundlich. Jetzt musste ich auf jeden Fall ins Sommerlager!
»Na, dann …« Gabriela schien wegen Mom erleichtert zu sein. »Ich mach mich an die Holzkekse und wir sehen uns bald. Schlaf vorher, soviel du kannst – die Kojoten halten uns bestimmt die ganze Zeit wach.«
Ich konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. Ich konnte es nicht erwarten. »Danke für deinen Anruf.«
Ich glühte noch immer von Gabrielas Anruf, als Mom nach Hause kam, die ihrerseits von zuviel Sekt glühte. Sie hattezwei Kleider über dem Arm und eine Tüte von So Gut
Wie Neu in der Hand. Meine Mutter? Unmöglich.
»Deine Freundinnen tauchten gerade auf, als ich gehen wollte. Anita und Ruby.«
»Ruthie«, korrigierte ich sie, total verwirrt.
Meine Mom breitete die Kleider auf der Couch aus: eins war seidig lila und gelb geblümt (auf geringer Hitze bügeln), das andere rot, weiß und blau (Baumwolle, sehr heiß).
»Für den vierten Juli.« Mom ließ die Tüte fallen und hob Ohrringe mit der Flagge der Vereinigten Staaten hoch.
Ich lächelte und sehnte mich zurück in den Laden, wappnete mich aber gleichzeitig innerlich gegen Moms verächtliche Kommentare.
»Die Kleider da sind gar nicht so schlecht.« Sie ließ die Ohrringe fallen und hob das lilagelbe Kleid hoch, hielt es vor sich und wirbelte herum.
Ich schluckte ungläubig.
»Sie sind ganz meiner Meinung. Sie hätten das Kleid nicht ohne meine Erlaubnis nehmen dürfen. Sie haben immer wieder um Entschuldigung gebeten und betont, sie hätten nachfragen müssen.« Mom drehte sich noch einmal und das seidige Kleid wehte wie Blumen in einer sanften Brise.
»Sie haben versprochen, ich könnte an den Tagen, an denen du im Laden arbeitest, auf alles fünfzig Prozent Rabatt bekommen. Und sie haben sich fast in die Hose gepisst, so sehr haben sie deine Arbeit gelobt
Weitere Kostenlose Bücher