Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2 ½ Punkte Hoffnung

2 ½ Punkte Hoffnung

Titel: 2 ½ Punkte Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Olson
Vom Netzwerk:
hat sie selbst gebacken.«
    Brody hatte derart viel Mut? Wow.
    »Ganz niedlicher Junge«, sagte Mom. »War angezogen wie zum Golf oder so. Und seine Mutter – die hat in einem silbernen BMW auf ihn gewartet.« Mom legte den Kopf schräg und blickte mich an. »Du hat einen besseren Geschmack, als ich dachte.«
    »Wieso hat das Telefon heute Morgen so oft geklingelt?«, fragte ich.
    »Dein Fanclub.«
    »Hm?«
    Sie zog an ihrer Zigarette, stieß den Rauch aus und zerdrückte die Kippe dann im Aschenbecher. »Ich weiß verdammt noch mal nicht, was zum Teufel hier abläuft, Hope, aber ich hab genug von diesem Wahnsinnsaufmarsch. Zuerst ruft deine Schulleiterin an und will mir erzählen, wiewichtig das Sommerlager ist und wie viel Kinder in nur fünf Tagen lernen können. Dann fragt sie, ob ich mir wegen des Lagers irgendwelche Sorgen mache.« Mom verdrehte die Augen. »Nein, sage ich zu ihr. Dann ruft Mr. Hudson an und teilt mir mit, ich müsse sehr stolz auf dich und deine Leistungen in der Schule sein. Ich entgegne, dass ich nicht gerade stolz darauf bin, dass du stiehlst. Das bringt ihn zum Schweigen.« Sie verschränkte die Arme auf dem Tisch. »Sorg lieber dafür, dass das sofort aufhört, junge Dame.« Sie starrte mich an. »Du kannst allen mitteilen, dass ich meine Entscheidung getroffen habe und dass nicht einmal ein Berg die noch bewegen kann.«
    »Ich hab damit nichts zu tun. Ehrlich!« Ich versuchte, das alles zu verstehen, aber meine Ohren hielten mich davon ab – sie pochten zusammen mit meinem tanzenden Herzen und hallten in glücklichem Unglauben wider: Hatten sich all diese Leute
wirklich
so für mich eingesetzt?
    In meinem Zimmer versuchte ich, einen Plan zu schmieden. Ich würde am Sommerlager teilnehmen, und wenn ich zu Fuß hingehen müsste! Aber wohin könnte ich danach? Eine Notunterkunft? Eine Einrichtung für durchgebrannte Teenager? Ein Frauenhaus? Ich hatte gehört, dass es eins in McMinnville gab. Ja, das würde ich tun.
    Erleichterung flutete durch meinen Körper, gefolgt von einem Schwall Energie. Ich hatte jede Menge zu erledigen, wenn ich hier ausziehen wollte! Ich fing mit dem Schrank an, warf alte Salzlakritze weg, hartes Weingummi und ein Glas mit schimmeligen grünen Oliven. Ich sortierte einen Stapel Kleider aus, faltete, hängte auf und warf schmutzige Teile in meinen Kleiderkorb. Ich wusch Kleid und Schal, die ich von Anita geliehen hatte, und bügelte mein neues Sommerkleid.
    Als ich mein Kissen hochhob, um den Bezug zu wechseln, sah ich mein Punktesystemheft, gut in meinem Flanelllaken versteckt. Ich kniete nieder, hob es auf und öffnete es. Da war meine Liste mit den Punkten. Ich hatte eine Zeit lang keine mehr eingetragen. Ich wusste nicht, ob ich des Systems überdrüssig oder ob es vielleicht einfach nur sinnlos war. Ich blätterte die Seiten mit den Daten und Abkürzungen und Punkten durch. Unten auf jeder Seite hatte ich die Punkte zusammengezählt und am Ende jedes Monats die Gesamtsumme berechnet. Aber ein Endergebnis gab es nicht. Rasch zählte ich die Monate durch, seit ich angefangen hatte – das war im September gewesen. Meine Kehle schnürte sich zusammen, als ich die Zahlen aufschrieb: 6485 Punkte in sieben Monaten. Stolz zauberte ein Lächeln auf meine Lippen, Stolz auf alle Augenblicke, in denen ich geschwiegen und stumm diese hasserfüllten Wörter bezwungen hatte,
mieses Drecksstück
und
müsstest,
das Starren und Glotzen. Ich hatte gewonnen. Guido und Giosué wären stolz auf mich gewesen.
    Der Stolz verflog jedoch rasch, als mir aufging, dass ich für meine harte Arbeit nichts vorzuzeigen hatte. Keinen Panzer. Kein blaues Band. Kein Verdienstkreuz. Kein Ende von Moms verbalen Misshandlungen.
    Ich hatte das Spiel gewonnen, aber nicht den Preis.
    Ich ging zum Papierkorb hinüber und ließ das Notizbuch aus meiner Hand rutschen.
    Dann setzte ich mich aufs Bett, die Schildkröte auf dem Schoß, und starrte den Papierkorb an. Würde ich meine Kinder anschreien? Sie Rotzlöffel und dumm nennen? Ich hatte mal gehört, dass schlechte Angewohnheiten wie Anschreien und Schlagen in Familien weitervererbt werden konnten – wie ein schwaches Herz, von der Mutter zurTochter, vom Enkel zum Urenkel. Würde ich ein Glied in dieser Kette sein? Ich durfte niemals vergessen, wie weh diese Wörter taten, wie Sarkasmus schmerzen konnte, wie starrende Blicke die Kehle verstopften und das Herz verbrennen ließen. Ich legte meinen Kopf auf den der Schildkröte. Würde ich es in

Weitere Kostenlose Bücher