2 ½ Punkte Hoffnung
Herzschmerz in meinen Schrank schickte. Genau das, was ich nicht brauchen konnte, aber ehe ich einen anderen Sender einschalten konnte, verwandelte sich das Herzschmerzsummen in herzzerreißende Worte:
GEBROCHENE, DEIN KOPF VERSINKT IN SCHAM.
GEBROCHENE, ICH SEHE DEINE TRÄNEN FALLEN WIE REGEN.
GEBROCHENE, IM VERSUCH, DEN SCHMERZ IM VERBORGENEN ZU LEBEN.
Ich konzentrierte mich. Wer war das? Und wo hatte sie nur diese Worte gefunden?
GEBROCHENE, DU BIST GANZ ALLEIN.
GEBROCHENE, IST DER SCHMERZ TIEF IN DIR,
GEBROCHENE, DAHEIM?
Daheim?! Mein Herz setzte einen Schlag aus und wartete auf die Antwort. ›Ja!‹, hätte ich ins Radio schreien mögen. ›Ja, der Schmerz sitzt tief im Inneren, daheim. Wer bist du, dass du Worte singst, die in solchen Schmerz gehüllt sind und dennoch so lieblich klingen?‹ Die Engelsstimme schwoll an, ihre Wörter strahlten.
ICH GLAUBE, ES GIBT HOFFNUNG.
ICH GLAUBE, ES GIBT FRIEDEN.
ICH GLAUBE, ES GIBT LIEBE, DIE FÜLLT DEINER SEELE TIEFEN.
Mein Herz hämmerte los, als diese Worte in meinen Ohren widerhallten, an mir vorbeifegten, zu meinen Kleidern hoch und aus meinem Schrank heraus. Sie füllten mein gesamtes Zimmer und erweckten in mir den Drang loszulaufen.
NIMM MEINE HAND, ICH GEHE DIESEN WEG MIT DIR.
NIMM MEINE HAND, LASS DICH TRAGEN VON MIR.
Ich setzte mich auf. Hellwach.
ICH GLAUBE, ES GIBT HOFFNUNG , kam wieder der Refrain.
JA! ES GIBT HOFFNUNG. Alles in mir zitterte. Ich schlug die Decke zurück und atmete einen Neubeginn.
GEBROCHENE, DEINE GESCHICHTE MACHT DICH STARK, WENN DU DEIN LIED SINGST.
GEBROCHENE, FINDE WIEDER FREUDE, WENN DU DEIN NEUES LEBEN BEGINNST.
Vielleicht, ganz vielleicht war ich doch nicht zu müde für einen letzten Versuch. Ich stemmte mich auf die Beine und wippte auf meinen Fersen hin und her. Dann zog ich Tylers Sporttasche hinten aus dem Schrank und öffnete sie auf meinem Bett. Ich würde am Ende nicht alles verlieren. Ich würde ins Sommerlager fahren. UND ICH WÜRDE NICHT ZURÜCKKOMMEN.
Es gibt Hoffnung.
Als Erstes landeten meine lila Wanderstiefel in der Tasche. Dann zwei Paar Jeans und vier T-Shirts. Oder lieber fünf. Ich versuchte, mich an die Liste zu erinnern. Unterwäsche und Socken. Sweatshirt. Das war vernünftig. Zahnbürste, Zahnpasta. Ich öffnete meine Tür und schlich durch den Flur ins Badezimmer. Waschlappen? Handtuch? Ich durchstöberte die Schubladen und das Medizinschränkchen. Pflaster, Sonnenöl, Mückenschutzmittel. Ja.
In meinem Zimmer sah ich dann in Schubladen und Kommode nach, ob mir noch etwas anderes einfiel. Taschenlampe – ich brauchte eine Taschenlampe. Ich schlich mich wieder hinaus, diesmal zum Schrank im Flur. Die Tür quietschte.
»Hope, bist du das?« Moms Stimme kam aus der Küche.
»Ja. Ich such nur was.«
»Ich backe Blaubeerpfannkuchen.«
»Okay«, rief ich zurück. Ich packte die Taschenlampe, jagte zurück in mein Zimmer und warf sie in meine Tasche, die ich im Schrank versteckte. Meine Knie zitterten. Aber als ich in die Küche marschierte, war ich komplett cool.
»Was hast du denn so gemacht?«, fragte Mom und setzte sich mir gegenüber.
Ich erstarrte. »Äh, hab mein Zimmer saubergemacht. Sachen weggeräumt.«
»Ich meine, in der Schule.«
Ich strich Butter auf meine Pfannkuchen und übergoss sie mit Sirup. Worauf wollte sie hinaus? »Wir haben uns auf das Sommerlager vorbereitet«, sagte ich vorsichtig. »Haben Lieder gelernt, Kocher gebastelt, du weißt schon.«
»Aha.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Und hast du in diesem Jahr schon neue Freunde gefunden?«
Jetzt machte sie mich nervös. Ich wusste, dass das keinefreundliche kleine Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter war. Es ging in eine Richtung, die mir vermutlich nicht gefallen würde. Aber was konnte ich schon daran ändern?
»Was ist mit diesem gewissen Brody? Habt ihr zwei nicht neulich auf den Schaukeln gesessen?«
Meine Gabel fiel klirrend auf den Teller und mein Gesicht wurde glühend heiß. Woher wusste sie seinen Namen?
Mom grinste. »Ich glaube, der mag dich.« Sie stand auf und holte eine runde Dose von der Anrichte, deren Deckel sie nun aufdrehte. »Brownies.« Sie kam damit zurück an den Tisch. »Für mich«, ergänzte sie und machte den Deckel wieder zu. »Er war heute Morgen hier. Hat gesagt, er habe gehört, dass du Hausarrest hast, und wollte wissen, ob die Brownies mich dazu bringen könnten, mir die Sache mit dem Sommerlager anders zu überlegen. Er
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