2 ½ Punkte Hoffnung
zitternd Luft. »Hier … geht … es … nicht … um … das … Kleid.« Ich öffnete die Augen, blickte sie an, holte wieder Luft und presste hervor: »Ichglaube, du liebst mich nicht … und … ich bin nicht sicher, ob ich dich liebhabe.«
Mom sah überrascht aus – und traurig.
Mrs. Nelson drückte meine Schulter. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie neben mir gestanden hatte. Auch ihr Blick war traurig, aber irgendwie hoffnungsvoll zugleich.
Eine kleine Hand streichelte mein Bein, und ich schaute nach unten, auf Maddie, die meine Schildkröte zu mir hochhielt. »Die macht, dass es dir besser geht.«
»Danke«, sagte ich, drückte die Schildkröte zum Trost an meine Brust und presste Maddies Hand, um Kraft zu finden.
Ich blickte alle an, und plötzlich hatte ich Vertrauen in meine Worte. »Ich habe versucht, gut zu sein«, fing ich wieder an und wischte mir mit dem Handrücken die Augen. »Aber nichts klappt. Niemals sage oder tue ich das Richtige. Ich lebe in meinem Zimmer, um dir nicht im Weg zu sein, Mom. Ich schleiche durch das Haus, um dich nicht zu stören. Ich bitte um nichts, auch nicht darum, irgendwo hinzudürfen. Aber vielleicht reicht das nicht. Vielleicht willst du mich endgültig loswerden. Vielleicht sollte ich fortgehen.«
»Du kannst bei mir bleiben«, sagte Maddie. »Mommy, können wir jetzt zu Oma gehen, und kann Hope auch mitkommen, mit ihrer Schildkröte, und wir kaufen uns Eis, damit es uns besser geht?«
Mrs. Nelson sah aus, als ob sie nicht wüsste, was sie jetzt machen sollte. In der Schule müssten wir jetzt vermutlich im Chor ›Es gibt etwas, das wir tun können‹ singen, aber ich glaubte nicht, dass sie in unserem Wohnzimmer ein Lied anstimmen würde.
»Ich brauche Hope aber hier.« Meine Mutter blinzelteund eine Träne rutschte aus ihrem Auge. Sie trat zu uns herüber und legte ihre Hand auf Maddies und meine. »Sie muss mir helfen, beim Bügeln.«
Spitze,
dachte ich,
noch mehr bügeln mit meinem armen Arm.
»Und …« Mom legte eine Pause ein. »Hope muss für das Sommerlager packen.«
KAPITEL 30
Einen Baum umarmen
Ich konnte nicht schlafen. Mir war nicht kalt, denn ich trug dicke Unterwäsche, Sweatshirt, Socken, Handschuhe und eine Strickmütze. Jemand schnarchte, und Jessicas Luftmatratze quietschte jedes Mal, wenn sie sich umdrehte. Ich pellte mich leise aus meinem Schlafsack und hielt den Atem an, um Gabriela nicht zu wecken – ich meine, Feliz
.
Das war ihr Betreuerinnenname; es ist Spanisch und bedeutet ›glücklich‹. Wir waren ihre Campistas (Camperinnen). Eine weitere Betreuerin, Grille, nannte ihre fünf Kinder Ameisen
,
und Fungus rief seine Jungs Sporen
.
Ich kroch zur Zelttür und öffnete langsam den Reißverschluss in der Leinwandklappe. Kalte Luft fuhr durch mein Gesicht und ließ meinen Hals prickeln. Ich atmete den Duft von Fichten und Lagerfeuerrauch ein. Ich rollte mich neben der Öffnung zusammen und vergaß die Kälte, als ich das vollkommen stille Lager im Mondlicht betrachtete: Zelte auf einer kleinen Wiese und am Fluss, die Reihe der tragbaren Kocher vor dem Küchenzelt und die Picknicktische, bereit für Pfannkuchen und Pizza aus dem Waffeleisen.
Eine Million Sterne tanzte am endlos schwarzen Himmel und ein besonders leuchtend gelber Stern schien zu brüllen: ›Schau mich an!‹ Wenn ich lange genug hinstarrte, würde er weiß werden – oder eher rot oder lila? Es war so dunkel und still um mich herum und der Himmel war so riesig, dass ichmir vorkam wie der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der diesen Zauber wahrnahm. Es gehörte mir, nur mir. Aber dann hatte ich das seltsame Gefühl, dass jemand oder etwas dort draußen war, oben in dem tiefen, pulsierenden Himmel, und mich seinerseits anstarrte, mich hypnotisierte, meinen Körper aufforderte, hochzuschweben und mitzutanzen.
Ich war so müde, ich hätte schlafen müssen wie ein Stein. Die vergangene Woche war Wahnsinn gewesen, weil ich alles nachholen und mich vorbereiten musste. Jede Menge Formulare waren auszufüllen, ich musste meine Hausaufgaben fertig machen, Bibliotheksbücher finden und zurückgeben und Geld für das Sommerlager sammeln. Tyler überprüfte meinen gepackten Rucksack, dann lieh er mir ein Sweatshirt, eine Baseballmütze und seinen Schlafsack. Mom kaufte ein weißes T-Shirt zum Batiken und überraschte mich mit einer Einmalkamera. Sie schenkte mir sogar eine Packung mit drei Halstüchern – rot, weiß und blau –, ohne ein Wort, kein einziges Wort, über
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