2:0 für Oma
vorhin den Tisch gedeckt hatte, schleppte Kissen herbei, die den beiden untergeschoben wurden. Sie quietschten, strampelten, rutschten gleich, als Maria ihnen den Rücken zudrehte, wieder von ihrem Kissenberg hinunter und liefen rund um den Tisch. Maria versuchte sie einzufangen, und Alessandro und Peppino rannten hinterher, bis Peppino über Alessandros Beine stolperte und der Länge nach hinfiel.
„ Dio mio “, rief die Nonna, „was für ein Lärm! Aber wo bleibt der Papa — Mario, hol der Papa!“ Dann griff sie nach den vorbeisausenden Zwillingen und drückte sie lachend rechts und links an ihre breite Brust. „ Tinina , du sein ganz brav!“ Als die beiden in ihren Armen wild zappelten, verteilte sie abwechselnd Küsse und Klapse.
Eine Tür im Hintergrund des Raumes öffnete sich, und Alessandro trat mit einem freundlichen, großen Mann herein.
„Papa, Papa!“ Die Zwillinge strampelten sich aus den Armen der Nonna frei und umfaßten je ein Bein des Vaters. Der hob sie hoch und drückte sie an sich. Dann setzte er die beiden auf ihre Stühle und nahm den Platz neben Oma ein. „Entschuldigen Sie diesen Durcheinander, Signora, entschuldigen Sie vielmals. Ich bin Alfonso Volpone, Vater von diese wilde Bande!“ Seine Augen blitzten stolz, als er die nun endlich auf ihren Stühlen sitzenden Kinder vorstellte: „Dort ist Alessandro: neun Jahre, dann Mario: dreizehn, Maria: zwölf, Tina und Nina — eigentlich sie sein eine einzige Person, darum wir nennen sie nur Tinina —, Tinina sein drei Jahre alt, dann kommt Peppino: fünf, Julia — molto brava , serr brav — achtzehn.“
Die errötende Julia stellte den Topf voller Spaghetti mit Ragout und Soße auf den Tisch und fing an, die Teller zu füllen. Als jeder seinen dampfenden Spaghettiberg vor sich hatte, setzte sie sich zwischen die Zwillinge und begann sie zu füttern.
„ Buon appetito , gutten Appetit!“ rief die Nonna.
Die Volpone-Kinder drehten mit den Gabeln rasch die Spaghetti zu kleinen Paketchen zusammen und ließen sie geschickt in ihren Mündern verschwinden. Dazwischen schwatzten sie italienisch miteinander. Der Papa schlug auf den Tisch.
„ Sentite ! Ihr deutsche Gäste ‘ abt , ihr müßt sprechen deutsch! Ist — wie sagt man doch gleich — un’öflich , sprechen italienisch, was deutsche Gäste nix verstehn !“
Die Italienerkinder schwiegen nun auch. Mario schaute trotzig auf seinen Teller, und Maria starrte über die Schüssel mit Spaghetti hinweg finster den Jan an.
„L’insalata!“ rief die Nonna. „Maria, hol insalata.“
Maria stand auf und stellte vor jeden einen Teller mit gemischtem frischen Salat, das heißt, den deutschen Kindern knallte sie die Teller mit mißbilligendem Nachdruck hin. Es war ein ungemütliches Essen, obgleich Papa Volpone mit Oma ein freundliches Gespräch führte und die Nonna den deutschen Kindern anfeuernde Rufe gab, sie sollten es sich schmecken lassen. Aber rechts und links des Tisches saßen sich zwei feindliche Fronten gegenüber, schweigend und haßerfüllt .
Auch hatten die deutschen Kinder mit den ungewohnten langen Nudeln ihre Mühe. Zu ihrem Groll mußten sie von ihren Feinden abgucken, wie man damit fertig wurde. Sie versuchten, ebenso hübsche Paketchen zu wickeln und in den Mund zu stecken wie die Italiener, aber bevor sie sie im Mund hatten, rutschten sie ihnen immer wieder von der Gabel und klatschten in die Soße. Die neue weiße Bluse von Brigitte und das karierte Sonntagshemd von Peter waren schon mit roten Tomatenflecken übersät. Es schmeckte nicht schlecht, aber was hatte man davon, wenn man kaum etwas in den Mund bekam. Am schwierigsten fand Rolf die ungewohnte Mahlzeit. Er drehte mit der Gabel in dem Spaghettihaufen auf seinem Teller herum, bis die ganze Menge zu einem großen Klumpen wurde, den er unmöglich in den Mund stopfen konnte. Doch er wehrte empört ab, als Oma ihm anbot, die Spaghetti für ihn zu zerschneiden, wie Julia es für Tina und Nina tat. Er protestierte mit einem Blick auf den geschickt speisenden Peppino: „Ich bin doch kein Baby mehr!“
Er mühte sich weiter ab. Als er schließlich einmal ein kleines Paketchen Spaghetti auf der Gabel hatte und in den Mund führen wollte, rutschte es ihm wieder herunter und fiel nicht auf den Teller, sondern auf seinen Schoß. Glitschige, bewegliche Dinger schlüpften über seinen Oberschenkel unter dem kurzen Höschen. Rolf erschrak. „Oma“, rief er entsetzt, „Oma — sind die lebendig?“
Nach
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