20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
welchen Rat du mir gibst!“
„Wenn es auf mich ankommt, so reiten wir allein, und dies ist auch aus anderen Gründen das beste.“
„Welche Gründe meinst du?“
„Nimm zunächst die Entfernung an! Von hier bis zum Dschebel Schammar sind es wenigstens vierzehn Tagereisen mit dem schnellen Reitkamele, denn Pferde können wir des fehlenden Wassers wegen nicht nehmen. Demnach brauchtest du bei hundert Reitern auch hundert Lastkamele, um die Wasserschläuche zu transportieren; da kämen wir erst nach vier oder fünf Wochen dort an. Woher das Wasser für die überschüssigen drei Wochen nehmen? Und bedenke die feindlichen Stämme, durch deren Gebiet wir müssen! Eine Schar von hundert Reitern muß von ihnen unbedingt entdeckt werden, während drei Personen wahrscheinlich unbemerkt bleiben. Und da du nach Ruhm trachtest, so frage ich dich: Welche Ehre ist größer, wenn hundert oder wenn nur drei Männer die Gefahren, denen wir entgegengehen, glücklich überwinden?“
„Das letztere, Sihdi, das letztere natürlich! Du kommst meinen Wünschen entgegen, und deine Ansicht ist auch die meinige. Wir reiten allein, Sihdi, du, ich und mein Sohn Kara Ben Halef, dem es die größte aller Ehren sein wird, an deiner Seite diese Reise machen zu dürfen. Ich werde mit Hanneh, meinem Weib, sprechen. Sie ist die beste, die herrlichste der Frauen, die lieblichste der Blumen unter allen Blumen und Rosen der Welt, und wird das feinste Mehl und eine Fülle der saftigsten Datteln einpacken, so daß wir unterwegs weder Mangel noch gar Hunger leiden.“ Dann schlug er die Hände froh zusammen und fügte mit glückstrahlendem Gesicht hinzu: „Hamdullillah, Preis, Lob und Dank sei Allah, denn nun wird uns wieder einmal die Luft der Wüste umwehen, und ich kann zeigen, daß ich, der Scheik und Hadschi Halef Omar, noch kein altes Weib geworden bin, sondern daß in mir noch immer der alte Held und Sieger lebt, den niemand überwinden kann, und der in jeder Not und Gefahr dein treuer Freund und tapferer Beschützer gewesen ist, lieber Sihdi, und dich auch jetzt wieder zu einem berühmten Mann und Krieger machen wird. Verlaß dich auf mich! Meine Kraft und Stärke wird dich vor jedem Feind bewahren.“
Ich ließ diese Rede still über mich ergehen. Er sprach nun einmal gern in diesem Ton, und wenn er dabei die Rollen umkehrte, so konnte mich das nur heimlich belustigen, niemals aber ärgern.
Ich brauche wohl nicht erst zu sagen, daß Hanneh uns in Beziehung auf die Sicherheit ihres Sohnes eine Menge Ermahnungen und Verhaltensmaßregeln erteilte, welche vollständig überflüssig waren, obgleich sie aus ihrem Mutterherzen flossen. Kara Ben Halef war unendlich stolz darauf, von uns auf eine so weite und nicht ungefährliche Reise mitgenommen zu werden. Nachdem wir Abschied genommen hatten, ritt er, im Sattel hoch aufgerichtet, voran, als wir das Lager verließen, begleitet von einer Anzahl Haddedihn, welche die Ziegenfelle transportierten, aus denen der Kellek (Floß aus aufgeblasenen Häuten) zur Überfahrt über den Euphrat hergestellt werden sollte. Sie brachten uns an das rechte Ufer dieses Flusses, worauf sie zurückkehrten, während wir unsere Richtung südwestwärts nach der Badijeh (Wüste) einschlugen.
Halef hatte für unsere Reise die drei schnellsten und ausdauerndsten Reitkamele des Stammes ausgesucht, welche eine Reihe von Tagen kein Wasser brauchten. Da man diese Hedschan aber nicht zu sehr belasten darf, so hatten wir nur drei kleine Schläuche mitgenommen, welche am sechsten Tage fast leer waren, so daß wir trachten mußten, sie wieder zu füllen. Das war aber eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit, weil wir uns in einer Zeit befanden, in welcher die wenigen Brunnen der arabischen Wüste meist besetzt sind, und die Stämme dieser Gegenden waren den Haddedihn alle mehr oder weniger feindlich gesinnt. Am meisten hatten wir uns vor den Scherarat-Beduinen zu hüten, welche damals in der Blutrache mit den Haddedihn standen und unbedingt unser Leben gefordert hätten, wenn wir in ihre Hände gefallen wären. Ihr Scheik hatte den Beinamen Abu 'Dem, Vater des Blutes, eine für ihn sehr treffende Bezeichnung und im Stamm gab es einen Mann, der noch mehr zu fürchten war als dieser blutdürstige Scheik, nämlich Gadub es Sahhar (der Zauberer), der Magier und Wunderdoktor der Scherarat.
Dieser ‚Zauberer‘ war weit und breit berühmt bei den Freunden und berüchtigt bei den Gegnern des Stammes. Man wußte, daß er bei jeder
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