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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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freut es mich, daß du dieser Meinung bist! Zuweilen will es mir nämlich scheinen, als ob man auch einmal widersprechen müsse; aber wenn ich dann der liebsten der Frauen in das Antlitz blicke, so hat sie sicher recht. Wie könnte ich solche Freundlichkeit betrüben und so ein Lächeln in Wehmut verwandeln! Ich muß dir sagen, daß ihr Lächeln sich sehr schnell auf meinem Angesicht widerspiegelt und dann – dann – dann, dann geht – geht – geht –“
    Er stockte und so fuhr ich, auch lächelnd, fort:
    „Dann geht es wohl auch auf deine Haddedihn über, und schließlich lächelt der ganze Stamm?“
    „Ja, Effendi, fast ist es so. Es geht von Hanneh der Krone aller Frauen, eine Milde aus, welche sich erst mir und dann auch allen, mit denen ich verkehre, mitteilt. Meine Haddedihn sind jetzt nicht mehr die rauhen, rücksichtslosen Krieger, die sie früher waren. Ja, denke dir nur, es kommt sogar vor, daß sie höflich mit mir, ihrem höchsten Vorgesetzten, sind! Das stammt von dir und deinen Lehren, deinen Taten her, und da mich niemand hört, will ich aufrichtig sein und es dir sagen: Im heiligen Buch der Christen ist, bei Allah und dem Propheten, viel, viel größere Weisheit enthalten als im Koran, den ich früher für den Inbegriff alles himmlischen und irdischen Wissens gehalten habe! Ich wollte dich damals zum Islam bekehren und ärgerte mich über deine Hartnäckigkeit; jetzt aber sehe ich ein, daß in einem einzigen freundlichen Lächeln meiner Hanneh, die unvergleichlich ist, mehr Religion und Weisheit liegt als in allen hundertvierzehn Suwar (Plural von Sure – Korankapitel) des heiligen Buches Mohammeds. Und sodann – – – höre, Effendi, noch ein Geheimnis!“
    Er brachte seinen Mund wieder in die Nähe meines Ohrs und flüsterte:
    „Auch Hanneh, die einzige Rose unter den Blumen und Blüten der Frauenwelt, mag nichts vom Koran wissen.“
    „Wirklich? Ist das wahr?“
    „Nichts, gar nichts!“ nickte er sehr ernst und bestimmt.
    „Warum?“
    „Weil die Ausleger des Koran behaupten, daß die Frauen keine Seele haben.“
    „Und das will sie sich nicht gefallen lassen?“
    „Nein, auf keinen Fall! Laß dir, lieber Sihdi, im Vertrauen mitteilen: sie behauptet, sie habe eine – – – und zwar was für eine!“
    „Hm! Sollte man das denken!“
    „Denken? Sie erlaubt mir gar nicht, ihr zu sagen, was ich darüber denke, und als ich ihr nur so ganz leise und liebevoll andeutete, daß Mohammed doch gewußt haben müsse, was er lehrte, bestand sie darauf, daß ihre Seele, den Körper gar nicht gerechnet, allein zehnmal mehr wert sei als der ganze Prophet, Leib und Seele zusammengenommen.“
    „Gibst du ihr da recht?“
    „Natürlich! Sie hat ja immer recht, und wenn man sich nach seinem Weib richtet, so ist das ebensogut, wie wenn man sich nach dem Koran richtet; das hast du ja vorhin selbst gesagt; ich handle also ganz genau nach dem Koran, wenn ich glaube, was Hanneh, die beste aller Frauen, glaubt.“
    Welch eine Logik! Der kleine, wackere Hadschi glaubte, sich nach dem Koran zu richten, indem er ihn verwarf! Es fiel mir natürlich gar nicht ein, ihm diese Ansicht widerlegen zu wollen, und wir kehrten nach unserm Rundgang nach dem Duar zurück, um den Hammel zu verzehren, für den es nach Halefs Worten eine „Freude und Ehre gewesen war, sich für mich schlachten zu lassen.“
    Ich blieb eine volle Woche der Gast der Haddedihn. Während dieser Zeit gab es keinen andern Gesprächsgegenstand als die Begebenheiten während meiner früheren Anwesenheit bei dem Stamm, auf welche man noch heut' mit stolzer Genugtuung zurückblickte. Halef war natürlich der Hauptsprecher; er hielt eine Menge Reden und Vorträge, in denen er mich als den größten Helden unter der Sonne beschrieben und dabei aber sich als meinen Freund, Beschützer, Bewahrer und Erhalter hinstellte. Ich pflegte mich zu entfernen, sobald er sich in Positur stellte, um eine solche Lobpreisung meiner Person und seiner selbst loszulassen; ich brachte es nicht fertig, seine übertriebenen Orientalismen durch meine Gegenwart zu sanktionieren, und war mir dabei der vollständigen Unmöglichkeit bewußt, sie auf irgendeine Weise zu verhindern. Als ich einmal eine hierauf bezügliche Bemerkung machte und mich dabei des Wortes öjünmek (prahlen, aufschneiden) bediente, fuhr er wie vor einer Natter vor mir zurück und rief zornig aus:
    „Was? Wie, Effendi? Ich soll ein Oejünüdschi (Prahler) sein? Wie kannst du mich in

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