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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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andere Gedanken gebracht worden wäre, aber es geschah nichts, gar nichts; wir bekamen während des ganzen Tages, außer in und bei Tekrit, keinen einzigen Menschen zu sehen und legten, als es dunkelte, das Floß nicht weit südwärts von Imam Dor an das Ufer fest. Es gab da eine Stelle, deren Beschaffenheit uns Sicherheit gegen Überfälle gewährte. Die Pferde hatten das Gras und Laub zum Fressen, und wir machten uns über die Raritäten her, welche Hanneh für uns eingepackt hatte. Wenn ich sage ‚wir‘; so meine ich, daß Halef diese Speisen vorlegte und ich von ihnen aß; er hatte keinen Appetit. Als er bei dem Schein des Feuers, welches wir angebrannt hatten, sah, wie gut es mir schmeckte, sagte er:
    „Ein Mann, der eine Frau hat, ist doch ein ganz anderer Mann als einer, der kein Weib besitzt! Ich könnte keinen Bissen essen, selbst wenn ich den größten Hunger hätte!“
    „Meinst du? Hättest du Hunger, so würdest du wohl essen!“
    „Glaube das nicht, Sihdi! Wenn man sich nach denen sehnt, die man verlassen hat, macht einem selbst der Hunger keinen Appetit; das weiß ich ganz genau, denn ich fühle es. Und wenn dann – – –“
    Er unterbrach sich mitten im Satz, machte ein Gesicht, als ob ihm etwas sehr Wichtiges eingefallen sei, und fuhr dann lebhaft fort:
    „Sihdi, die Zeit ist gekommen; sie ist nun endlich da!“
    „Welche Zeit?“
    „Daß du mir sagst, was du mit Hanneh, der beispiellosen Blume aller Blumen, gesprochen hast.“
    „Hm! Ich wollte eigentlich noch länger warten.“
    „Noch länger? Welch ein Gedanke! Willst du meine Seele so in die Länge ziehen, daß sie einem abgewickelten Bindfaden gleicht, welcher von Mossul bis nach Basra und noch weiter reicht? Kannst du so grausam sein, meine Sehnsucht, die jetzt noch einer lieblich trillernden Gumbara (Lerche) gleicht, in ein Karkadahn (Nashorn) zu verwandeln, welches mich mit seinen Füßen zermalmt? Ich bitte dich, nimm dein doch sonst so gutes Herz auf die Spitze deiner Zunge und laß es sprechen die Worte, welche ich hören will!“
    „Eigentlich ist es noch nicht Zeit zu dieser Mitteilung, aber da ich kein Unmensch bin, so hat dein Bindfaden mich gerührt und dein Nashorn meine Seele weichgetreten. Also höre! Zunächst hat Hanneh mir gesagt, daß du der beste Mann seist, soweit die Erde reicht.“
    Er sprang wie ein Gummiball in die Höhe und rief:
    „Hat sie das gesagt? Wirklich, wirklich?“
    „Ja.“
    „Hamdullillah! Das labt meine Seele so, wie junges Gras den Leib eines Kamels erquickt! Soweit die Erde reicht, bin ich der beste Mann! Welch ein Wort! Welch eine Tiefe der Einsicht in alle meine vorzüglichen Beschaffenheiten! Ein so wahres und zutreffendes Urteil kann nur aus einem Mund kommen, welcher die oberste Öffnung der tiefsten Einsicht ist! Sihdi, wer ein solches Wort ausspricht, der muß eine Seele haben!“
    „Allerdings!“
    „Du bist überzeugt, daß die Frauen Seelen haben?“
    „Ja.“
    „Also Hanneh auch?“
    „Natürlich! Und das ist es, was ich dir weitersagen soll. Sie läßt dich durch mich bitten, nicht länger an dem Vorhandensein ihrer Seele zu zweifeln.“
    „O Effendi, wenn sie mich für den besten Mann der Erde hält, so habe ich ganz und gar nichts dagegen, daß sie sich in dem Besitz einer Seele befindet. Es ist zwar – – – hm, Effendi, nicht wahr, die Seele ist etwas Innerliches? Sie steckt im Körper?“
    „Ja.“
    „So mag sie drin steckenbleiben! Es soll aber Seelen geben, die sich auch äußerlich sehen und hören lassen; das liebe ich nicht.“
    „So? Gibt es wirklich solche?“
    „Leider, ja; ich weiß es ganz genau.“
    „Hanneh scheint ganz dasselbe auch zu wissen, denn sie hat mir noch einen Auftrag gegeben.“
    „Welchen?“
    „Wenn du glaubst, daß sie eine Seele habe, so soll dieselbe stets im Innern steckenbleiben.“
    „Das – das – das hat sie gesagt?“
    „Ja.“
    „Maschallah! Gott tut Wunder! Wie freue ich mich darüber, daß sie mir den Vorschlag machte, sie mit dir sprechen zu lassen! Weißt du, Sihdi – aber das kannst du ja gar nicht wissen, weil du noch nicht der Besitzer eines Frauenzeltes bist, doch sage ich dir, wenn die Seele eines Weibes das Innere verläßt, so nimmt das Gesicht sehr ernste Züge an, und die Stimme wird gebieterisch. Und dann, eben dann hat sie allemal recht! Aber nun du mir diese liebe Botschaft bringst, bin ich überzeugt, daß ich nach meiner Rückkehr auch einmal allein recht haben werde und nicht immer sie

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