20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
schlug die Hände zusammen und rief:
„Allah bewahre mich! Es ist doch nur ein Spaß!“
„Lieber Hadschi, es ist wirklich Ernst!“ entgegnete ich ihm in versicherndem Ton, obgleich ich unter dieser ‚Besitzerin meines Herzens‘ und ‚Lenkerin meines Lebens‘ etwas ganz Anderes verstand als er.
„Du hast also wirklich, wirklich eine?“ fragte er in höchst gespanntem Ton.
„Ja.“
„Die bei dir in deinem Zelt ist?“
„Ja.“
„Sihdi, laß mich Atem holen! Sag mir, ob ich vielleicht schlafe – ob ich träume! Ich möchte weinen, bitterlich weinen!“
„Warum? Ich denke vielmehr, du solltest dich freuen!“
„Freuen?! Hast du diese deine Frau denn lieb?“
„Von ganzem Herzen.“
„Aber, wie kannst du, wenn dein ganzes Herz diesem plötzlichen, unvermuteten Weib gehört, denn noch mich liebhaben, mich, deinen Halef, den besten und treuesten deiner Diener und Genossen!“
„Ich habe dich doch genau so lieb wie vorher.“
„Das ist unmöglich; das ist nicht wahr! Dein Herz ist weg, ist nicht mehr vorhanden. Du hast ja selbst gesagt, daß es dieser unerwünschten und ganz unwillkommenen Frau gehört! Ich mag sie nicht sehen; ich will nicht mit ihr reden; ich mag nichts von ihr hören! Ja, höre es: Ich will auch von dir nichts mehr wissen!“
Er stand wieder auf und entfernte sich. Am Fluß blieb er stehen und starrte halb zornig und halb traurig in das Wasser. Der gute Hadschi war eifersüchtig! Ich sagte kein Wort, denn ich kannte ihn. Und richtig: Er kam nach einer Weile langsamen Schrittes zurück, setzte sich mir gegenüber, seufzte tief und klagte:
„So, in dieser traurigen Weise bin ich von dir verlassen worden, von dir, für den ich mein Leben unbedenklich hingegeben hätte! Du hast der treusten Freundschaft den Todesstoß versetzt. Ich wollte sogar mit dir nach Persien reiten; nun aber kehre ich wieder um, unbedingt wieder um!“
Ich hätte lachen mögen und war doch tief gerührt.
„Lieber Halef“, sagte ich. „Warst du mein Freund, als du damals deine Hanneh zum Weibe nahmst?“
„Ja.“
„Hast du mich darum verlassen?“
„Nein.“
„Bist du mein Freund geblieben?“
„Ja.“
„So ist es auch bei mir.“
„Nein; das ist jetzt ganz, ganz anders, Sihdi!“
„Wieso?“
„Als ich mir ein Weib nahm, hattest du keins. Nun du dir eins genommen hast, habe ich etwa keins?“
„O doch.“
„Das ist es ja, was ich meine! Wir haben nun alle beide eine Frau, du und auch ich! Denkst du denn, daß ich das verwinden kann?“
„Ja.“
„Da irrst du dich!“
„Nein; höre mich an! Hast du deine Hanneh von ganzem Herzen lieb?“
„Natürlich.“
„Und bist trotzdem noch immer mein Freund?“
„Ja, ja, ja! Wie könnte ich jemals von dir ‚lassen‘!“
„Ganz ebenso kann ich auch nicht von dir lassen, obgleich ich eine Frau besitze. Oder willst du etwa ein Vorrecht vor mir haben? Soll ich deinetwegen auf das Glück verzichten, der Besitzer einer Blume des Harems zu sein?“
„Nein; das kann ich nicht verlangen. Laß mich essen und dabei nachdenken! Mein Heimweh, welches mir den Hunger raubte, ist vollständig alle geworden. Ich will Kebab (an Hölzern gebratene Fleischstücke) essen, Kebab, von Hanneh zubereitet, welche auch erschrecken wird, wenn sie hört, daß du auf eine so unvorhergesehene Weise der Besitzer eines Harems geworden bist!“
Er aß, und zwar in der hastigen Weise eines Menschen, dessen Gedanken ganz anderweitig beschäftigt sind. Nach einer Weile sagte er:
„Gestehe, daß du wegen dieser Frau ein böses Gewissen gehabt hast!“
„Ich weiß nichts davon.“
„Doch! Warum hast du im Duar davon geschwiegen? Warum sprichst du erst jetzt davon? Das ist nur das böse Gewissen!“
„Ich spreche erst jetzt davon, weil wir nun allein miteinander sind. Von seiner Frau darf man nur mit dem besten, verschwiegensten Freunde sprechen; das weißt du doch.“
„Ich weiß es. Verzeih, Sihdi, du hast recht!“
Er aß weiter und erkundigte sich nach kurzer Zeit:
„Bist du mit ihr zufrieden?“
„Sehr!“
Auch die nächsten Fragen sprach er nur in Zwischenräumen aus:
„Ist sie so gut und schön wie meine Hanneh?“
„Ja.“
„Hamdullillah! Das beruhigt mich. Ich gönne vielleicht jedermann eine häßliche und schlechte, aber nur mir und dir nicht. Hast du sie denn zufällig einmal ansehen dürfen, ehe sie deine Frau wurde?“
„Ja. Im Abendland ist das Ansehen nicht verboten; da kennt man sich genau, ehe man sich
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