20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
erscheinen, um von dir geklopft zu werden! Wie lange wird das wohl noch dauern?“
„In einer halben Stunde lassen wir das Feuer ausgehen; dann können wir sie für jeden Augenblick erwarten.“
„So spät? Ich werde mir die Riemen schon jetzt zurechtlegen.“
„Das hat noch Zeit. Du stellst dich dort an die Wand; ich empfange an Stelle des Sill die Perser, gebe ihnen die Hand, wie es ausgemacht worden ist, führe sie dir zu und sorge dafür, daß sie, wenigstens die beiden ersten, nicht laut werden können. Mit dem dritten und letzten brauche ich nicht so vorsichtig zu sein. Sobald ich ihn festhabe, sorgst du dafür, daß das Feuer schnell wieder zum Brennen kommt. Jetzt wollen wir still sein, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß sie Langeweile empfinden und darum ihr Versteck eher verlassen, als sie sich vorgenommen haben. In diesem Fall müssen wir mit dem Umstand rechnen, daß sie draußen horchen.“
„Oh, sie werden noch viel mehr horchen, wenn dann später meine Peitsche das Zwiegespräch mit ihnen beginnt!“
„Willst du wieder hauen?“
„Was sonst, Sihdi? Ich kenne dich. Sie wollen uns töten und vorher halb totschlagen. Eigentlich müßten wir sie erschießen, und das würde auch ganz richtig sein, denn Menschen, welche wie Raubtiere nach Blut lechzen, müssen als Raubtiere behandelt werden. Du wirst dich aber nicht nach dem Gesetz der Wüste rächen, sondern sie begnadigen. Aber ohne alle Strafe dürfen Mörder nicht entkommen. Sie wollen uns erst schlagen und dann ermorden. Nun wohl, ich werden sie auch begnadigen, nämlich zur Peitsche; das Leben schenke ich ihnen. Bist du damit einverstanden?“
„Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Was ich tun werde, hängt von ihrem Verhalten ab. Du sprichst überhaupt so sicher, als ob wir sie schon festgenommen hätten. Es kann uns das auch mißlingen.“
„Mißlingen? Uns? Ganz unmöglich! Wir sitzen hier wie zwei Löwen in der Höhle; wer sich hereinwagt, wird gefressen; das ist so sicher und gewiß, daß etwas anderes gar nicht eintreten kann!“
Ich hörte es gar nicht ungern, daß der kleine Kerl so zuversichtlich war. Wer an sich selbst zweifelt, der kann auch nicht an das Gelingen seiner Absichten glauben, und besonders in Lagen, wie die unsrige eine war, ist eine gute Portion Selbstvertrauen mehr als sonstwo wert.
Wir saßen jetzt still und lauschten. Es war nichts als zuweilen das Glucksen des Wassers zu hören, wenn sich eine einzelne Welle am Ufer verfing. So verfloß die halbe Stunde, und wir löschten das Feuer aus, nachdem wir ganz trockenes Schilf und Streichhölzer zurechtgelegt hatten, um schnell wieder anzünden zu können.
Ich setzte mich in die Nähe der Tür, und Halef nahm die Stelle ein, welche ich ihm angegeben hatte. Um uns beide war mir gar nicht bange; wenn ich eine Sorge hegte, so war es die, ob der Sill mit seiner Frau sich ruhig verhalten würde. Ein Ruf von ihm oder ihr konnte unsern Plan zu Schanden machen.
Unsere Gehörnerven waren in der Weise angespannt, daß ich ein Geräusch von leisen, leisen Schritten ganz deutlich vernahm, obgleich die betreffenden Personen sich noch ziemlich weit von der Hütte befanden.
„Halef, sie kommen“, flüsterte ich.
„Ganz recht; ich habe die Riemen schon längst bereit“, antwortete er.
Die Schritte näherten sich und hielten draußen an. Die Perser waren jedenfalls überzeugt, ganz unhörbar aufzutreten. Nun richtete ich mich halb auf und beobachtete die Türmatte, welche sich nach kurzer Zeit bewegte; es entstand eine Öffnung, welche ich gegen den Himmel ganz deutlich sehen konnte. Es kam jemand hereingekrochen und richtete sich im Innern auf. Jetzt erhob ich mich vollends und nahm den Betreffenden bei der Hand.
„Sill?“ fragte er fast unhörbar leise.
„Sill“, antwortete ich und zog ihn einige Schritte von der Tür fort, zu Halef hin.
Dann preßte ich ihm die linke Hand um die Kehle und gab ihm mit der rechten zwei Hiebe an die Schläfe. Es war nichts als ein seufzender Hauch zu hören; dann sank die Gestalt in meinen Händen zur Erde nieder.
„Halef, hier der erste – binden!“ flüsterte ich; dann huschte ich wieder an die Tür.
Der zweite kam; er fragte nicht, wurde von dem Eingang weggeführt und bekam zwei Hiebe mit demselben Erfolg. Beim dritten brauchte ich nicht so vorsichtig zu sein. Als er hereingekommen war und sich aufgerichtet hatte, riß ich ihn von hinten nieder, kniete auf ihn und hielt ihm die Arme fest. Er war so erschrocken, daß
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