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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das anerkennst, indem du mich nicht zum Schweigen verurteilst, wenn ich das Sprechen für notwendig halte!“
    Wenn der kleine Hadschi jetzt, zu mir, in dieser Weise sprach, welche Reden mußte er da erst den Persern gehalten haben! Ich kühlte seine Hitze durch die kurze Bemerkung ab:
    „Schweigen ist Gold; Reden ist Silber, oft auch bloß nur Eisenblech. Leg dich nieder und schlaf! Ich werde dich nach zwei Stunden wecken.“
    Er ging zu seinem Pferd, und während ich mich nach der Hütte wendete, hörte ich ihn noch klagen:
    „So haben zuweilen sonst ganz vernünftige Menschen Ansichten, welche selbst der hellste Verstand ganz unmöglich begreifen kann! Allah allein weiß, warum dies so und nicht anders ist!“
    Als ich zu den Persern kam, sah ich bei dem Schein des Feuers ihre Augen mit haßerfüllten Blicken auf mich gerichtet. Der ‚Vater der Gewürze‘ war so frech, mich anzudonnern:
    „Endlich läßt du dich sehen! Wo hast du gesteckt? Ich erwarte, daß du uns augenblicklich wieder losbindest!“
    Ich antwortete ihm kein Wort, warf neues Holz in das Feuer und ging hinaus, um mich an der Stelle der Wand niederzusetzen, wo sie innen lagen und ich ihre Bewegungen und Worte hören konnte.
    „Dieser Hund ist taub für meine Reden“, knirschte er. „Sie haben gewußt, daß wir kommen wollten. Safi hat uns nicht verraten; das weiß ich ganz genau. Wo mag er mit seinem Weib stecken? Wahrscheinlich liegen sie irgendwo, gradso gebunden wie wir. Ich möchte wissen, auf welche Weise dieser Giaur unsern Plan erraten konnte!“
    Hierauf sprachen sie leiser miteinander; so daß ich nichts verstehen konnte. Sooft ich hineinging um dem Feuer Nahrung zu geben, bekam ich Grobheiten zu hören, ohne daß ich ein Wort darauf erwiderte. Als meine Zeit vorüber war, schlief Halef so schön, daß ich es nicht über mich brachte, ihn zu wecken. Ich hielt Wache bis zum frühen Morgen; da wachte er von selbst auf und machte mir Vorwürfe, daß ich ihn hatte schlafen lassen.
    „Du hast gewiß gedacht“, sagte er, „daß ich diese Männer wieder von der Gewandtheit meiner Rede überzeugen würde. Das hätte ich aber nicht getan, denn dein ‚Eisenblech‘ hat mir alle Lust genommen, die Mörder mit den Vorzügen meines Geistes zu beleuchten. Dafür aber hoffe ich, ihnen nicht durch Worte, sondern durch die Tat beweisen zu dürfen, daß die Pfiffigkeit meiner Peitsche himmelhoch über ihrer berühmten Klugheit steht. Du wirst damit wohl einverstanden sein, Effendi. Nicht?“
    „In diesem Fall allerdings. Du weißt, daß ich, selbst wenn es sich um einen gefährlichen, rücksichtslosen Feind handelt, gegen alle Quälereien bin; hier aber gehört uns nach den Gesetzen der Wüste das Leben dieser Menschen, und wenn ich es ihnen schenke, so sollen und dürfen sie doch nicht ganz straflos ausgehen.“
    „Allah sei Dank, daß er dich mit dieser prachtvollen Einsicht hell erleuchtet hat! Strafe muß sein, und ich bin ganz glücklich darüber, daß du meiner treuen Karbatsch gestattest, mit wonnevoller Liebe zu untersuchen, welchen Grad von Dickheit ein Schiitenfell besitzt.“
    Der liebe Kleine schwang seine Peitsche gar zu gern. Mir widerstrebten derartige Exekutionen, und es ließ sich auch nicht mit meiner Ansicht über die Würde eines Scheiks der Haddedihn vereinigen, ihm die Ausführung derselben zu übergeben; darum antwortete ich:
    „Sie sollen allerdings die Peitsche bekommen, doch hoffe ich, daß du nicht die Absicht hast, das Amt des Henkers selbst zu übernehmen.“
    „Warum nicht, Sihdi?“
    „Weil es keine Ehre ist, einen Menschen, der sich nicht verteidigen kann, zu schlagen, selbst wenn er die Strafe verdient hat.“
    „Hm!“ meinte er nachdenklich; „zu rühmen braucht man sich dessen allerdings nicht; das ist wahr; aber eine Schande ist es auch nicht.“
    „Was das betrifft, so gibt es Völker, bei denen die Henker so verachtet waren, daß kein ehrlicher Mann mit ihnen verkehrte, und wo dies im Laufe der Zeiten anders geworden ist, hält man doch wenigstens an der Meinung fest, daß es sich für den Richter nicht schickt, sein Urteil mit eigenen Händen auszuführen.“
    „Das geht mich gar nichts an, gar nichts! Der Richter bist ja du, Sihdi, und ich, nun, du weißt ja, welche Wonne es für mich ist, die Länge meines Armes und die Innigkeit meines Glücks durch die Peitsche zu vergrößern. Ja, wenn ich der Richter wäre, würde ich es allerdings nicht tun.“
    „Du bist ja mehr, viel mehr als ein Richter;

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