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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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du stehst hoch erhaben über ihm!“
    „Ich? Wieso?“ fragte er verwundert. „Ich ahne, daß du mich durch irgendeine deiner Pfiffigkeiten um den herzerquickenden Genuß bringen willst, auf den sich meine ganze Seele freut.“
    „Es ist keine Pfiffigkeit, sondern ein sehr ernstes Bedenken, von der Achtung und Freundschaft eingegeben, die ich für dich empfinde, lieber Halef.“
    Sein Gesicht hatte sich verfinstert, und es klang nicht sehr freundlich, als er sagte:
    „Diese Freundschaft und Achtung kannst du mir grad jetzt nur dadurch beweisen, daß du mir erlaubst, die Haut des Nilpferds in Bewegung zu setzen.“
    „Höre mich nur noch einen Augenblick an! Wenn du dann noch bei deinem Wunsch bleibst, werde ich ihn dir erfüllen. Der Richter fällt seine Urteile nach den Gesetzen, welche der Herrscher gegeben hat. Wenn es gegen die Ehre des Richters ist, eine von ihm bestimmte Prügelstrafe selbst auszuführen, so kann es dem Herrscher, der doch viel höher steht, noch viel weniger einfallen, Henkersdienste zu verrichten. Das gibst du doch wohl zu?“
    „Das ist nun freilich ganz richtig, Sihdi“, nickte Halef, ohne zu ahnen, daß er mit dieser Zustimmung in die ihm gestellte Falle ging.
    „Und dennoch willst du selbst, mit deiner eigenen Hand, die Perser prügeln?“
    „Natürlich! Du, Sihdi, würdest es nicht dürfen, weil du der Richter bist, der ihnen die Zahl der Hiebe, welche sie bekommen sollen, verordnen wird.“
    „Ja, ich bin allerdings der Richter, nur der Richter; du aber stehst erhaben über mir.“
    „Ich? Erhaben? Ich – – – noch über dir?“ fragte er, indem sein Gesicht den Ausdruck großer Spannung zeigte.
    „Natürlich, denn du bist ja der Herrscher!“
    „Ich – – – der – Herrscher –?“
    „Ja. Oder gebietest und herrschest du nicht über alle berühmten und tapferen Haddedihn vom großen Stamm der Schammar?“
    Mein Argument kam ihm zu überraschend; darum stimmte er mir nicht sofort zu, sondern wiederholte nur die Worte:
    „Gebieten – – – herrschen – – – Haddedihn – – – Schammar –!“
    „So meine ich es, und so ist es richtig. Die Kaiser und Könige des Abendlandes beherrschen ihre Untertanen; Abd ul Hamid thront über allen Völkern der Türkei; Nassr-ed-din gibt Persien Gesetze, und du gebietest über alle Krieger und Angehörigen der Haddedihn. Ob man so einen Herrscher als Kaiser, König, Sultan, Schah oder Scheik bezeichnet, das kommt gar nicht in Betracht, denn alle diese Titel bedeuten ganz dasselbe und sind von gleichem Wert.“
    Jetzt war es höchst interessant, die Veränderung zu bemerken, welche in den Zügen des kleinen Hadschi vor sich ging. Der finstere Ausdruck verschwand, indem er sich nach und nach in alle steigenden Grade der Helligkeit verwandelte, bis das liebe Gesicht geradezu vor Wonne strahlte.
    „König – Kaiser – Sultan – Schah – Scheik –“, rief er aus. „Sind diese Worte wirklich gleich, ganz gleich? Du mußt das wissen, Sihdi, denn du kennst alle Dinge, die vorhanden sind. Ja, du hast recht, ganz recht! Ich bewahre und beglücke meine Haddedihn gradso, wie der Schah sein Persien, der Sultan die Türkei; wie der Kaiser von Leh memleketi (Polen) oder der König von Tuna (Donau) Gehorsam von ihren Untertanen fordern, so gehorchen mir alle Körper, Seelen und Herzen der freien Beduinen, die ich um meinen Thron versammelt habe. Sihdi, es freut mich außerordentlich, zu sehen, daß du die Größe der Ausdehnung meiner Würde erkennst und den ganzen Umfang der Bedeutung meiner Erhabenheit begriffen hast!“
    „Das habe ich; ja, das habe ich, lieber Halef. Und bei all dieser Würde und Erhabenheit willst du dich selbst zum Henker herabwürdigen und Prügel austeilen mit der erleuchteten Hand, auf deren Wink die tapfersten deiner Krieger lauschen?“
    „Maschallah! Nein, das tue ich nicht, denn das würde die Ehrfurcht besudeln, mit welcher alle meine früheren und gegenwärtigen Ahnen, Urahnen und Vorfahren auf mich niederblicken müssen. Einem freien Feind, der sich wehren kann, darf ich wohl, falls er mich beleidigt, die Peitsche über das Gesicht ziehen; aber einen Gefangenen zu schlagen, dem du nach meinen eigenen Gesetzen des Urteil gesprochen hast, das kommt mir nie und nimmer in den Sinn, denn ich bin es dem Glanz meines Daseins schuldig, zur Hoheit meines Herrschertums immer neue Strahlen zu gesellen. Ich bitte dich, wenn wir von unserer Reise zurückkehren, so vergiß ja nicht,

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