20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Begleiter wird in den Hof gehen, ihn zu holen.“
„Ich danke dir, Herr; du machst mir das Herz leicht und errettest mich von der Schande, meinen Gästen nicht den braunen, duftenden Trank der Gastlichkeit vorsetzen zu können. Dafür wirst du nun den besten Tabak, der hier in Bagdad zu haben ist, mit mir rauchen. Hol schnell die Tschibuks!“
Der Dicke, an den dieser Befehl gerichtet war, verdrehte die Äuglein abermals nach innen, so daß sie ganz verschwanden, und rief in kläglichem Tone:
„Die Tschibuks? Allah '1 Allah! Tabak, o Tabak!“
„Klag nicht, sondern lauf! Beeile dich!“
„Effendi, ich bitte dich, nimm doch deinen Verstand, deinen ganzen Verstand zusammen! Warum soll ich mich beeilen, wenn es durch die Eile doch nicht anders wird?“
„Wieso nicht anders?“
„Es ist kein Tabak da.“
„Kein Tabak –! Unmöglich! Der kann doch nicht auch schon alle geworden sein! Ich habe ja seit einer ganzen Woche keinen geraucht!“
„Ich auch nicht, Effendi. Du siehst also, daß ich unschuldig bin!“
„Aber du solltest doch vorgestern, als du Kaffee holtest auch Tabak mitbringen! Ich habe dir zehn Piaster dazu gegeben.“
„Ja, das ist wahr; die hast du mir dazu gegeben.“
„Nun also, wo ist der Tabak?“
„O Tabak! Allahi, Wallahi, Tallahi!“
„Heraus mit der Sprache! Ich muß doch meinen Gästen Tschibuks geben lassen!“
„Ja, das mußt du allerdings, Effendi. Ich bitte also um zehn Piaster, um welchen zu holen.“
„So hast du also noch keinen geholt?“
„Nein.“
„Aber wo ist das Geld dafür?“
„Effendi, wenn du mich anhörst, so wirst du sofort erfahren, daß ich ganz unschuldig bin. Du weißt, daß ich nur selten rauche, denn eine Prise Naschuk (Schnupftabak) ist weit bekömmlicher als eine Pfeife voll Duchan (Rauchtabak). Nun war ich dem Dachachni (Tabakhändler) grad zehn Piaster für Schnupftabak schuld geblieben, und er mahnte mich. Er drohte sogar, mir nie wieder zu borgen, und so habe ich ihm das Geld gegeben.“
„Für Schnupftabak?“
„Nein, Effendi. Ich habe die Schuld bezahlt und mir dann wieder für zehn Piaster geborgt.“
„Das ist ganz dasselbe, als ob du dir Schnupftabak dafür gekauft hättest. Du hast das Geld also für deine Nase anstatt für meine Tschibuks verwendet!“
„Effendi, zürne nicht, sondern denke nach, so wirst du erkennen, daß ich unschuldig bin! Soll der Tabakhändler etwa im Kaffeehause erzählen, daß der Diener eines so vornehmen Mannes, wie du bist, seine Schulden nicht bezahlen könne? Soll er dadurch dein Angesicht vor allen Leuten schamrot machen? Wenn du alle guten Kräfte deines Verstandes und deiner Weisheit zusammenrufst, so werden sie dir sagen, daß ich nicht auf das Glück meiner Nase gesehen habe, sondern für den guten Leumund deines berühmten Namens bedacht gewesen bin. Ich bin überzeugt, daß du nun nicht mehr an meiner vollständigen Unschuld zweifelst!“
Der stets unschuldige Dicke blickte seinen Herrn vorwurfsvoll an, und dieser sah mir dann so ratlos ins Gesicht, daß ich ihm erklärte:
„Sorge dich nicht um den Tabak, Effendi! Ich habe welchen einstecken. Dein Diener – wie wird er eigentlich genannt?“
„Kepek ist sein Name.“
„Also dein Kepek mag die Tschibuks bringen; unterdessen wird mein Begleiter den Kaffee und den Tabak holen.“
„Wie gütig bist du, o Herr! Nur durch deine Freundlichkeit ist es mir möglich, die Pflichten zu erfüllen, welche ich euch schuldig bin.“
Halef entfernte sich; Kepek aber ging noch nicht. Er drehte seine dicken Arme verlegen hin und her und ließ die Unterlippe hängen, so daß man den letzten Zahn, der ihm von allen zweiunddreißig übriggeblieben war, in seiner ganzen Größe erblickte.
„Was willst du noch?“ fragte ihn sein Herr.
„Du sprichst von Tschibuks, Effendi“, antwortete er, „und wir haben doch nur einen, aus welchem wir beide rauchen.“
„Wir hatten aber doch zwei!“
„Das ist schon lange her. Ich habe den einen stets dazu gebraucht, das Feuer des Herdes anzublasen, und da ist er mir nach und nach von unten herauf verbrannt.“
„Aber ist denn der Tschibuk da, als Körük (Blasebalg) zu dienen?“
„Nein; aber um zu beweisen, daß ich unschuldig bin, brauch ich dir nur zu sagen, daß ich mich nicht gut bücken kann; der Tschibuk aber fühlt keine Schmerzen, wenn ich ihn ins Feuer halte. Das wirst du einsehen, o Effendi!“
„So geh, und hole die Pfeife!“
Es versteht sich ganz von selbst, daß mich dieses
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