20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Verhältnis zwischen Herrn und Diener außerordentlich belustigte. Daß der erstere gegen den letzteren so große Nachsicht zeigte, mußte seine Gründe haben. Ich erinnerte mich, daß der Pole mir damals gesagt hatte: „Er war schon mein Diener, als ich noch Offizier war. Vielleicht erzähle ich noch, warum ich mit ihm so nachsichtig bin. Er hat mir große Dienste geleistet.“
Also Kepek hieß der Dicke. Das ist ein türkisches Wort, welches zu deutsch ‚Kleie‘ bedeutet. Gar nicht so übel! Es gibt gewisse Geschöpfe, welche man mit Kepek füttert, um sie fett zu machen. Vielleicht war der sonderbare Lakai von diesem seinem Namen so rund und schwabbelig geworden. Da aber fielen mir die damaligen Worte seines Effendi ein: „Er ißt und trinkt das meiste selbst, und erst was er übrigläßt, das bekomme ich.“ Da war es freilich kein Wunder, daß der eine zu wenig von der Fülle besaß, in welcher der andere fast ersticken mußte.
Jetzt kam Halef mit dem Kaffee und dem Tabak; er brachte auch unsere Pfeifen mit, wodurch der Pole aus der letzten Verlegenheit gerissen wurde, denn wenn wir nicht mit Tschibuks versehen gewesen wären, hätten wir zu dreien aus dem seinigen rundum rauchen müssen. Und da trat auch ‚Kleie‘ wieder herein und pustete außer Atem auf seinen Herrn zu, um ihm die Pfeife zu bringen. Als er dies schwere Werk vollbracht hatte, lustwandelte er wieder hinaus, machte aber die Tür nicht zu, sondern lehnte sie bloß an. Ich war überzeugt, daß er draußen vor derselben stehenblieb, um seine Kräfte zu schonen und keinen Weg zurücklegen zu müssen, falls sein Herr wieder klatschen sollte. Was sollte da aus dem Kaffee werden? Den schien er ganz vergessen zu haben, obwohl er den Beutel mit unseren Bohnen sehr liebevoll hinter den Kaftan in seinen Busen geschoben hatte.
Als wir die Tschibuks gestopft und in Brand gesteckt hatten, begann der einstige Offizier:
„Also Grüße habt ihr von dem persischen Prinzen zu bringen, welcher Hassan Ardschir-Mirza hieß? Er war ein sehr vornehmer Herr und gehörte vielleicht gar zur Familie des Schah-in-Schah!“
Da schob Kepek der Dicke den Kopf zur Tür herein und sagte:
„Ja, er war ganz gewiß von hoher Abkunft, denn er hat mir, ehe er fortging, drei goldene Tumans (24 Mark) als Bakschisch gegeben.“
Er zog den Kopf zurück, und sein Herr fuhr, ohne ihm einen Verweis gegeben zu haben, fort:
„Ich habe Gründe, gegen keinen Perser gastfrei zu sein; diesem aber öffnete ich mein Haus, weil er mir von dem Deutschen Kara Ben Nemsi gebracht wurde, den ich gleich, sobald ich ihn sah, liebgewann.“
Da steckte Kepek den Kopf wieder herein und rief:
„Auch mir gefiel er sehr, denn er hat mir zwei goldene Tuman Bakschisch gegeben.“
Ich hatte damals die Gastfreundschaft unseres Wirtes allerdings durch dieses Trinkgeld von sechzehn Mark an seinen Diener vergelten können, weil Hassan Ardschir-Mirza sehr freigebig gegen mich gewesen war. Das fettglänzende Gesicht verschwand wieder hinter der Tür, und der Wirt sprach weiter:
„Ein sonderbarer Mann war der Inglisi (Engländer), der immer nur von Ausgrabungen sprach; aber reich mußte er sein, sehr reich, denn ich habe dann gehört, daß er die ganze kostbare Habe des Prinzen gekauft hatte.“
Da erschien das Gesicht Kepeks abermals, und wir hörten die freudige Bestätigung:
„Ja, er war sehr reich, denn er hat mir als Bakschisch einen goldenen Lira inglisi gegeben, für welchen ich hundertundzwanzig Piaster erhalten habe.“
„Das sind zusammen dreihundertsechzig Piaster, die du als Bakschisch erhalten hast. Hast du sie noch?“ fragte sein Herr.
„Nein.“
„Wo hast du sie?“
„Sie sind alle geworden, fort, weg, für Schnupftabak.“
„Niegrzecznosc! Soviel Geld für Schnupftabak!“
„Zürne ja nicht, Effendi, und rege dich nicht unnütz auf! Wenn du nachrechnest, welche lange Zeit seitdem vergangen ist, wirst du gewiß einsehen, daß ich unschuldig bin.“
Nach diesen Worten zog er seinen Kopf wieder zurück. Halef, der heißblütige, hatte keine Geduld, zu warten, bis ich den Augenblick für gekommen halten würde, mich zu erkennen zu geben; er fragte:
„Hast du niemals wieder etwas von denen gehört, welche damals bei dir wohnten?“
„Von den Persern und dem Inglisi nicht, wohl aber von den beiden andern. Ich lebe sehr einsam und verlasse dieses Haus nur selten; aber Kepek pflegt, wenn er geht, um Einkäufe zu machen, in den vier Kaffehäusern einzukehren, von denen er
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